Hilfskräfte versorgen nach einer Massenpanik kollabierte Teilnehmer der Loveparade. Insgesamt sind 19 Menschen ums Leben gekommen.

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Die Straßentunnel am Sonntag nach der Katastrophe.

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Von rechts nach links: Duisburgs Bürgermeister Adolf Sauerland, Loveparade-Organisator Rainer Schaller, der Vizepräsident der Duisburger Polizei Detlev Schmeling und Wolfgang Rabe, Ordnungsdezernent der Stadt Duisburg und Leiter des Krisenstabes bei einer Pressekonferenz am Sonntagmittag.

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Besucher der Veranstaltung versuchten das Gelände nach der Massenpanik zu verlassen.

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So hatten sich die Veranstalter das Konzept der Zulaufwege auf das Gelände vorgestellt.

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An der Loveparade nahmen den Organisatoren zufolge 1,4 Millionen Menschen teil.

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Erst gegen Mitternacht leerte sich das Veranstaltungsgelände.

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Als Zeichen der Trauer und Anteilnahme stellten zahlreiche Besucher Kerzen an Ort der Katastrophe auf.

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Duisburg/Wien - Der Organisator der Loveparade, Rainer Schaller, hat am Sonntag das "Aus" der Loveparade für die Zukunft verkündet. "Worte reichen nicht aus, um das Maß meiner Erschütterung zu erklären", sagte er bei einer Pressekonferenz nach der Massenpanik in Duisburg mit 19 Toten und rund 340 Verletzten. "Mir ist alles daran gelegen, die Geschehnisse vollständig aufzuklären."

Die Staatsanwaltschaft Duisburg ermittelt nun wegen fahrlässiger Tötung. Die Ermittlungen richteten sich gegen unbekannt, sagte Staatsanwalt Rolf Haferkamp am Sonntag. Die Ermittlungsbehörde habe das Sicherheitskonzept der Loveparade von den Veranstaltern und der Stadt Duisburg beschlagnahmt. Die Papiere seien bereits am Samstagnachmittag sichergestellt worden.

Duisburgs Oberbürgermeister Adolf Sauerland (CDU) hat nach der Massenpanik bei der Loveparade appelliert, "keine voreiligen Schuldzuweisungen" vorzunehmen. Er könne verstehen, dass die Frage nach dem Warum im Vordergrund stehe. Die Behörden sollten aber in Ruhe und mit der notwendigen Zeit das Unglück untersuchen. "Wir haben alle Akten an die ermittelnden Behörden bereitwillig übergeben", sagte Sauerland.

Gegen-Sicherheitskonzept der Polizei verworfen

"Spiegel-Online" meldete am Sonntagmittag, dass ein alternatives von Polizei und Feuerwehr erstelltes Sicherheitskonzept im Vorfeld am Widerstand der Stadt gescheitert sei. Unter Berufung auf die Duisburger Polizeiführung schreibt "Spiegel-Online", dass dieses Konzept vorgesehen habe, die Besucher "großflächiger" anreisen zu lassen und die eingetretene Nadelöhr-Situation mit nur einem Zugang zum Gelände zu verhindern. Dies hätte allerdings einen weitaus größeren Personaleinsatz erfordert und sei von der Stadtverwaltung verworfen worden.

Die Polizei und die Stadt Duisburg forschten am Sonntag unter großem öffentlichen Druck nach den Ursachen. Vordringlichste Aufgabe sei zunächst die Versorgung der Verletzten, hieß es. Unklar ist noch, wie schwer die Verletzungen sind. Die Fragen drehten sich jedoch vor allem um das Sicherheitskonzept. Das für die Loveparade ausgewählte alte Bahnhofsgelände kann maximal 250.000 Menschen aufnehmen. Zur der Party waren nach Angaben der Behörden aber etwa 1,4 Millionen Menschen nach Duisburg gekommen. Es gab nur einen Zugang zum Festgelände, und der war nur durch zwei sehr lange Straßentunnel unter den Bahngleisen zu erreichen.

Viele tausende Besucher der Techno-Party gelangten nach dem Desaster in der Nacht ohne weitere Zwischenfälle nach Hause. Die Räumung des Geländes habe "reibungslos geklappt", teilte ein Polizeisprecher am frühen Sonntagmorgen mit.

Niederländer, Australier, Italiener und Chinese unter den Toten

"Die Staatsanwaltschaft Duisburg hat sofort ein Ermittlungsverfahren eingeleitet", sagte Schmeling. Die meisten Toten seien auf der westlichen Seite der Zugangsrampe gefunden worden. Das Alter der Opfer liege zwischen "etwas über 20 und knapp unter 40 Jahren, also junge Erwachsene".

Nach der Tragödie bei der Loveparade in Duisburg hat die Polizei 18 der 19 Toten identifiziert. Bei der Massenpanik starben elf Frauen und acht Männer. Unter den Toten sind elf Deutsche, wie Polizei und Staatsanwaltschaft Duisburg am Sonntag berichteten. Hinzu kommen Opfer aus den Niederlanden, Australien, Italien, China, Spanien und Bosnien.

Schmeling bezweifelte die kolportierten Besucherzahlen. Es gebe Hubschrauberaufnahmen, die zeigten, dass der Platz "zu keiner Zeit vollständig gefüllt war". Die einzige belastbare Zahl gebe es durch die Zuführung der Deutschen Bahn (DB). Er bezifferte die Zahl der per Zug angereisten Besucher mit 105.000, die in der Zeit von 9.00 bis 14.00 Uhr per Zug nach Duisburg kamen. Der erhebliche Teil der Gäste sei mit der Bahn angereist.

Zweifel bereits im Vorfeld

Bisher hat das Außenministerium in Wien keine Hinweise auf Österreicher unter Toten. Das sagte Außenamtssprecher Peter Launsky-Tieffenthal am Sonntag. Auch habe es bisher weder bei der österreichischen Botschaft in Berlin, noch beim Außenministerium Anrufe besorgter Angehöriger gegeben. Ebenfalls keine Hinweise gab es bisher auf betroffene Österreicher unter den schwerer Verletzten der Tragödie. Die Polizei bzw. das Krankenhauspersonal habe offenbar die diplomatischen Vertretungen zumindest der schwerer Verletzten bereits informiert, die österreichische Botschaft sei nicht darunter gewesen.

Bereits im Vorfeld der Technoparade hatte es Zweifel gegeben, ob das Gelände und der Zugang für die Menschenmassen geeignet sein würden. Die Katastrophe löste im In- und Ausland eine Welle der Trauer und des Entsetzens aus. Zugleich mehrte sich Kritik an den Organisation. Der deutsche Bundespräsident Christian Wulff forderte eine rückhaltlose Aufklärung.

Duisburgs Oberbürgermeister: Sicherheitskonzept war "stichhaltig"

Das Drama nahm am Samstagmittag seinen Lauf - das tödliche Nadelöhr war der Tunnel: Hunderttausende hatten sich auf den Weg zum alten Güterbahnhof gemacht. Sie wurden aus zwei Richtung dorthin geleitet, die Massen trafen zwischen zwei Tunneln aufeinander, wo ein gepflasterter Weg zum Güterbahnhof hinaufführt. Nach Zeugenaussagen entstand dort eine unerträgliche Enge. Menschen versuchten, eine Mauer und eine Treppe hinaufzuklettern. Als einige von ihnen aus mehreren Metern Höhe in die Menschenmasse unter ihnen stürzten, brach nach Polizeiangaben Panik aus.

Duisburgs OberbürgermeisterSauerland verteidigte das Sicherheitskonzept gegen die sofort aufbrandende Kritik als "stichhaltig". Es "lag nicht am Sicherheitskonzept, das nicht gegriffen hat, sondern wahrscheinlich an individuellen Schwächen", sagte er nach der Katastrophe. Feuerwehren und andere Rettungsdienste auch aus dem weiteren Umland starteten einen gigantischen Einsatz. Die am Partygelände vorbeiführende Autobahn 59, die aus Sicherheitsgründen ohnehin gesperrt war, wurde zum Anlaufpunkt für Rettungsfahrzeuge und Hubschrauber.

In den Tunnels, in denen sich die Katastrophe abspielte, fuhren noch Stunden später Notarztwagen mit Blaulicht. Leichtverletzte Loveparade-Besucher wurden mit Bussen in Kliniken gefahren. Bis nach Mitternacht verließen Leichenwagen den Unglücksort. Die Polizei hatte das Gelände mit Zäunen und Sichtblenden weiträumig abgesperrt. In der Nacht kamen erste Trauernde zu dem Tunnel, um ihr Mitgefühl mit den Opfern zu bekunden. Einige zündeten Kerzen an.

Bundeskanzlerin Merkel geschockt - Ministerpräsidentin Kraft "total betroffen"

Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel zeigte sich geschockt und sagte: "Zum Feiern waren die jungen Menschen gekommen, stattdessen gibt es Tote und Verletzte." Der Präsident der Europäischen Kommission, Manuel Barroso, kondolierte zum Tod so vieler Menschen. Die Fraktionsvorsitzenden von Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag, Renate Künast und Jürgen Trittin, forderten eine "genaueste Untersuchung des Vorfalls". Nordrhein-Westfalens neue Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) ließ sich in der Einsatzleitstelle der Polizei über die Entwicklung unterrichten.

Sie äußerte sich "total betroffen" und sagte, sie fühle mit den Angehörigen der Gestorbenen und sorge sich um die Verletzten. Papst Benedikt XVI. hat am Sonntag der Todesopfer bei der Loveparade in Duisburg gedacht. "Ich gedenke in meinen Gebeten der jungen Menschen, die ihr Leben verloren haben", sagte der Papst in seiner Sommerresidenz Castel Gandolfo in der Nähe von Rom. Ihn erfülle "tiefe Trauer".

Pleitgen: "Mitverantwortlich, aber eher im moralischen Sinne"

Die Loveparade unter dem Motto "The Art Of Love" gilt als eine der wichtigsten und größten Veranstaltungen zur "Ruhr.2010" im Kulturhauptstadtjahr. Der Cheforganisator Fritz Pleitgen zeigte sich schockiert. "Ganz klar fühle ich mich auch mitverantwortlich, aber eher im moralischen Sinne", sagte Pleitgen Samstagnacht im ZDF.

Die Raver-Parade war 1989 in Berlin gegründet worden und ist 2007 in Ruhrgebiet gezogen. 2009 hatte die Stadt Bochum kein geeignetes Gelände gefunden. In Duisburg fand sie erstmals auf einem abgeschlossenem alten Bahngelände mit nur 15 Wagen, den sogenannten Floats, statt. Dabei musste lange um die Finanzierung gekämpft werden. Die hoch verschuldete Stadt steht unter Haushaltsaufsicht und brauchte für ihre Ausgaben die Zustimmung des Landes. Im Sommer 2011 soll die Loveparade in Gelsenkirchen Station machen. (APA/red)