Peking - Die Volksrepublik China ist bei der Niederschlagung der Proteste in Tibet vor zwei Jahren nach Angaben der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) mit äußerster Gewalt vorgegangen. Die Sicherheitskräfte hätten einige Demonstranten brutal geschlagen, viele gefoltert und einige erschossen, hieß es in einem am Donnerstag in Peking veröffentlichten HRW-Bericht. Die Erkenntnisse basierten auf Interviews mit mehr als 200 tibetischen Flüchtlingen und anderen Augenzeugen zwischen März 2008 und April 2010, sowie auf offiziellen Informationen, teilte die in New York ansässige Menschenrechtsorganisation mit.

Bereitschaft zur Gewaltanwendung

"Dutzende Augenzeugenberichte und regierungseigene Quellen zeigen deutlich die offizielle Bereitschaft zur Anwendung tödlicher Gewalt gegen unbewaffnete Demonstranten", sagte Sophie Richardson, die Asien-Expertin von HRW. Der Bericht widerlege eindeutig die Behauptung der chinesischen Regierung, dass sie im Umgang mit den Protesten internationale Standards und nationale Gesetze eingehalten habe, sagte Richardson und forderte eine chinesische und eine internationale Untersuchung. Die Regierung in Peking wollte den Bericht zunächst nicht kommentieren.

Anlass für die zunächst friedlichen Demonstrationen in Tibet war der Jahrestag des gescheiterten Aufstands gegen die Fremdherrschaft am 10. März 1959. Nach Angaben der tibetischen Exilregierung in Indien wurden bei der Niederschlagung der Proteste mehr als 200 Tibeter getötet und rund tausend weitere verletzt. Peking räumte die Tötung eines Tibeters ein und warf den Aufständischen vor, sie hätten 21 Menschen getötet.

Nach der Niederschlagung des Volksaufstands durch die chinesische Armee im März 1959 war der Dalai Lama mit mehr als 100.000 Landsleuten über die Grenze nach Indien geflohen. Der buddhistische Klosterstaat war bis 1911 chinesisches Protektorat und nach dem Ende des chinesischen Kaisertums faktisch selbstständig. 1950/51 marschierten chinesische kommunistische Truppen in Tibet ein. 1965 errichtete Peking die "Autonome Region Tibet"; deren Fläche ist wesentlich kleiner als die des alten Tibet, von dem Teile den chinesischen Nachbarprovinzen angegliedert wurden. Menschenrechtsorganisationen und der Dalai Lama, dem 1989 der Friedensnobelpreis zuerkannt wurde, haben Peking unter anderem Zwangsabtreibungen und Zwangssterilisationen, sowie "kulturellen Völkermord" durch massive Ansiedlung von Han-Chinesen vorgeworfen. (APA)