Foto: DER STANDARD/Newald

Reste des Brandanschlags auf ein Wohnhaus in Floridsdorf. Die Polizei fahndet noch nach den Tätern in Neonazikreisen.

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Wien - Glatze, Stiefel, "Ehre, Freiheit, Vaterland" auf dem T-Shirt, eine Bierdose in der Hand - die Neonazis vom Floridsdorfer Spitz sehen anders aus als die meisten ihrer Gesinnungsgenossen: "Die erkennt man oft nicht mehr an der Kleidung", sagt Andreas Peham vom Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands (DÖW).

Polizei, Verfassungsschutz und DÖW vermuten, dass die Gruppe hinter den Anschlägen auf ein Wohnheim am Franz-Jonas-Platz in Wien-Floridsdorf in beiden vergangenen Wochen stecken: Zweimal zündeten Unbekannte Mistkübel in dem Haus an, im dritten Stock schmierten sie Hakenkreuze an die Wände und schrieben Morddrohungen und Naziparolen dazu.

Die Bewohner des Stockwerks fürchten sich seither. "Als die Mistkübel brannten, war das ganze Stiegenhaus voller Rauch", erzählt eine Bewohnerin. "Die Feuerwehr meint, wir waren in Lebensgefahr." Dass der Verfassungsschutz das Haus bewacht, nimmt ihr nicht die Angst vor den Angreifern.

Etwa 40 Leute gehören zu den Neonazis vom Floridsdorfer Spitz. Sie sind meist jung und arbeitslos, schlecht ausgebildet, gewaltbereit und betrunken. "Sie entsprechen noch am ehesten dem Klischee und sind in der Wiener Szene nicht etabliert, keiner will etwas mit diesen 'Saufnazis' zu tun haben", sagt Peham. "Mit der Aktion wollen sie vielleicht sagen: 'Immer habt ihr über uns gelacht, jetzt seht her, was wir können.'"

Auch dass sie sich auf der Demo gegen einen muslimischen Gebetsraum in der Rappgasse blicken ließen, unterscheidet sie von den gut organisierten, gebildeten Neonazis: Dort überwiegt der Hass auf Juden, Muslime werden eher als Verbündete im Kampf gegen Israel gesehen.

Beide Gruppen- die organisierten und die "Saufnazis" - seien in den vergangenen Jahren größer geworden, meint Peham. Etwa 400, schätzt er, gibt es in Wien, etwa 1000 in ganz Österreich. Peham rechnet künftig mit vermehrten Angriffen: Sowohl der Wien-Wahlkampf der FPÖ könnte Neonazis ermutigen, offen aufzutreten, als auch das Asylvolksbegehren, dass die FPÖ 2011 plant.

In Floridsdorf wird das Problem unterschiedlich wahrgenommen: "Bisher hat es noch keine solchen Vorfälle gegeben", meint die stellvertretende Bezirksvorsteherin Ilse Fitzbauer (SP). Von einer Gruppe, die sich regelmäßig am Spitz trifft, weiß sie nichts.

Die Bewohner des dritten Stocks im Haus am Franz-Jonas-Platz wollen jedenfalls ausziehen. Zwei türkische Studenten wollen nach dem Studium zurück nach Ankara. "Ich habe geglaubt, Wien ist so sicher", sagt einer. "Aber ich habe meine Meinung geändert." (Tobias Müller, DER STANDARD, Printausgabe, 21.7.2010)