Große Maschinen für winzige Forschungsobjekte: Im Reinraum des Zentrums für Mikro- und Nanostrukturen wird an neuen Laser-Technologien geforscht.

Foto: STANDARD/Corn

In dieser krakenförmigen Anlage "wachsen" Halbleiter: Schichten aus einzelnen Atomen werden exakt aneinandergefügt.

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Wie das geht und was das mit Quantenkaskaden zu tun hat, zeigt ein Besuch in den Labors des Nanofotonik-Clusters Platon.

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Es sieht wie eine eiserne Krake aus, das Herzstück des Reinraums vom Zentrum für Mikro- und Nanostrukturen (ZMNS) der Technischen Universität Wien. Was sich im Inneren der Apparatur abspielt, liegt außerhalb der Wahrnehmungsgrenzen des menschlichen Auges. Bloß ein kurzes Aufklappen und rotes Glühen sind zu erkennen, wenn man in eines der Rohre blickt, die in einen zylinderförmigen Behälter führen.

Das Gerät ist so etwas wie ein Brutkasten für Mini-Laser. Denn hier "wachsen" nanometerdünne Halbleiter-Laser. In den Rohren werden Proben verschiedener Metalle erhitzt. Durch das Auf- und Zuklappen eines Ventils strömen die Moleküle ganz gezielt in die Wachstumskammer, wo sie im Vakuum auf ein Trägermedium aufgedampft werden und Schichten aus einzelnen Atomen bilden. Vier Sekunden braucht die Maschine für einen Nanometer, einen millionstel Millimeter. "Auf diese Weise wachsen perfekt angeordnete Kristalle mit gleich großen Atomabständen", schildert Gottfried Strasser, Nanoelektroniker am TU-Institut für Festkörperelektronik und am ZMNS. "So können wir Materialkombinationen mit kontrollierten elektronischen und photonischen Eigenschaften bauen."

Strasser ist Leiter eines Clusters mit dem philosophischen Akronym "Platon" (Processing Light: Advanced Technologies for Optical Nanostructures), das sich aus mehreren Unis, Forschungsinstitutionen und Firmen zusammensetzt, die insgesamt 13 Projekte betreiben. Unter dem Dach der Österreichischen Nanoinitiative will Platon bis 2014 die Nanofotonik-Forschung vorantreiben.

Das Spezialgebiet von Strasser und seinen Kollegen an der TU Wien sind Quantenkaskadenlaser. Diese arbeiten im Infrarotbereich und machen sich die unterschiedlichen Schwingungen bzw. Energieniveaus verschiedener Materialien zunutze. Durch die Kombination mehrerer Schichten springen die Elektronen wie Bälle über Stufen von einem höheren Energieniveau zu einem niedrigeren und geben die Differenz in Form von Fotonen ab. Dabei nehmen die Elektronen Quantenzustände an und schummeln sich quasi durch die dünnen Grenzflächen hindurch. Je nach Schichtdicke wird eine andere Wellenlänge des abgestrahlten Lichts erreicht.

Kleiner, schneller, besser

"Wir entwickeln elektronische Bauelemente, die Lichtteilchen abgeben oder einfangen können", erklärt Strasser. "Die Forschung ist vor allem durch die Unterhaltungsindustrie getrieben. In jedem Handy, CD-Player, Videospiel, in jeder Kamera sind solche optischen Laser, Sensoren und Detektoren eingebaut." Und der Markt verlangt, dass all die Anwendungen kleiner, schneller, leistungsfähiger, stabiler und energiesparender funktionieren. Die Anwendungsgebiete der Infrarot-Laser sind noch vielfältiger: Sie können für eine exakte Analyse von Abgasen in der Luft, für die Detektion von kranken Zellen im Körper genauso wie für drahtlose Datenübertragung bei Regen und Schnee genutzt werden.

Damit der Strom in den Halbleiter-Lasern auch fließt, ist der sterile Reinraum, der in einer ehemaligen Großküche eingerichtet wurde, mit allerlei weiteren Gerätschaften ausgestattet: Röntgenstrahlen prüfen die Maße der Schichten, dann werden die Bauteile mit Lack besprüht, an den richtigen Stellen belichtet und mittels Elektronenstrahlenlithografie beschrieben. Damit der Strahl kein bisschen abgelenkt wird, sorgt ein eigenes Magnetfeld für Ausgleich, etwa zum Magnetfeld von vorbeifahrenden U-Bahnen, wie Strasser ausführt.

Gleich neben dem Reinraum arbeitet Elvis Mujagic an der nächsten Generation von Mini-Lasern: oberflächenemittierende Quantenkaskadenlaser. Für seine Forschungsarbeit erhielt er kürzlich in San Francisco den ersten Preis für das beste Student-Paper. In seinem fensterlosen Labor fühlt man sich wie in einer etwas chaotischen Werkstätte: Auf einem langen Tisch in der Mitte des Raums stapeln sich Geräte aller Größen und Formen, Behältnisse mit kleinsten Bauteilen, Werkzeuge und lange verworrene Schlangen aus Kabeln. Ganz unscheinbar wirkt das Metallplättchen, auf dem vier winzige goldfarbene Rechtecke erkennbar sind - so sieht der Quantenlaser mit freiem Auge aus. Unter dem Mikroskop zeigt sich, dass sich auf den Rechtecken Ringe abheben. Bei weiterer Vergrößerung sieht man, dass jeder Ring aus einem Gitter geformt ist.

Nano-Ring mit Fokus

"Normalerweise dringt das Licht nur seitlich aus dem Laser heraus, mit dieser Technologie kann es senkrecht an der Oberfläche durch das Gitter entweichen, wodurch sich der Strahl viel exakter bündeln lässt", erläutert Mujagic. Zur Demonstration spannt er einen Minilaser in eine Halterung ein und versorgt ihn mittels winziger Kontakte mit Strom. Das aus dem Gitterring strömende Licht durchläuft eine Linse und wird von einer Spezialkamera aufgenommen, die an einen Computer angeschlossen ist. Während der Infrarotlaser für das Auge unsichtbar bleibt, ist auf dem Bildschirm deutlich ein heller Ring zu sehen, der entsprechend auf einen Punkt fokussiert werden kann.

"Wenn man mehrere Ringlaser mit verschiedenen Gitterstrukturen koppelt und auf einen Stoff lenkt, könnte man anhand der Absorption der verschiedenen Wellenlängen auf die Zusammensetzung schließen. Bisher war das nur mit zusätzlichen mechanischen und optischen Komponenten möglich", erklärt Elvis Mujagic zukünftige Einsatzmöglichkeiten. Vorerst ist er damit beschäftigt, die Entwicklung der Industrie schmackhaft zu machen. "Einige Firmen sind schon in Warteposition", sagt Strasser. "Es sind aber eher die Kleinen, die neue Nischen aufmachen, dann erst ziehen die Big Player nach." Zumindest gibt es so gut wie keine Konkurrenz. Die Gruppen, die auf diesem Gebiet forschen, sind über die ganze Welt verstreut. "Wir arbeiten gut zusammen", sagt Mujagic. "So können wir unsere Arbeit etwas bekannter machen." (Karin Krichmayr/DER STANDARD, Printausgabe, 21.07.2010)