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Dornbirn - Daniel begehrt und umwirbt Laura, seine attraktive Arbeitskollegin. Er ist 34, Akademiker mit einem Faible für Kunst und gutes Essen, belesen wie kein anderer im Büro. Er hat seinen Kolleginnen und Kollegen im Ministerium aber noch viel Wichtigeres voraus: seine Empathiefähigkeit. Doch Laura will Daniel nur als Freund, nicht als Liebhaber. Denn Daniel ist sichtbar anders. Er hat das Down-Syndrom. Daniel, der Held im preisgekrönten spanischen Film Yo, también, me too - wer will schon normal sein? hat viel mit Pablo Pineda, seinem Darsteller gemeinsam.

Der Film sei ein Projekt mit viel Arbeit, wenig Geld und umso mehr Illusion, sagt Pablo Pineda bevor es in den Weltlichtspielen zur österreichischen Vorpremiere von Yo, también dunkel wird. Kurz darauf wird Daniel feststellen: "Eine Gesellschaft, die Minderheiten ausgrenzt, ist eine verstümmelte Gesellschaft." Pablo Pineda hat wie Daniel die Illusion, dass eine Gesellschaft, die allen Menschen die gleichen Rechte und Chancen gibt, machbar ist.

Er, der vor 35 Jahren mit einer genetischen Besonderheit, der Trisomie 21, geboren wurde, möchte mit seinem Film eine wesentliche Botschaft vermitteln: "Seht Kinder mit Down-Syndrom nicht als Behinderte, sondern als Persönlichkeiten." Akzeptiere man Menschen in ihrer Vielfalt und Unterschiedlichkeit, seien gemeinsamer Unterricht, gleiche Bildungschancen für alle selbstverständlich. Und auch das Recht auf gesellschaftliche Beteiligung, Selbstbestimmung, Sexualität.

Pineda bekam, unterstützt von den Eltern, engagierten Lehrern und der spanischen Bildungspolitik, die Sonderschulen abschaffte, die Möglichkeit zum Universitätsstudium. Seinen Wunsch, das Pädagogik-Studium auch beruflich umzusetzen, erscheint ihm noch nicht realisierbar: "Die Gesellschaft ist noch nicht so weit, einen Lehrer mit Down-Syndrom zu akzeptieren."

Obwohl von der Kritik gelobt und vom Kinopublikum heißgeliebt, sieht der Spanier seine Zukunft nicht als Filmstar. Er will die Beamtenprüfung ablegen und Bibliothekar in seiner Heimatstadt Málaga werden, nicht nur wegen seiner Liebe zu Büchern: "Der Beruf könnte mir Sicherheit geben."

Pinedas Besuch in Vorarlberg machte Simone Fürnschuß, die Autorin des Buches Das Leben ist schön. Besondere Kinder. Besondere Familien, möglich. Die Mutter eines Buben mit Down-Syndrom teilt Pinedas Ziele: "Alle Menschen sollten die Möglichkeiten haben, ihre unterschiedlichen Potenziale auszuleben." Ihr Sohn Valentin kommt im Herbst in die Schule, in eine reformpädagogische gemischte Klasse am Sonderpädagogischen Zentrum in Lustenau. Möglich wurde die Einrichtung der Klasse durch das Engagement von Simone und Patrick Fürnschuß und die Bereitschaft von Lehrerinnen und Politik, neue Wege zu gehen.

Ein inklusives Schulsystem, in dem alle Kinder gemeinsam zur Schule gehen, wie es die UN-Konvention über die Rechte von Behinderten vorsieht, ist in Österreich noch in weiter Ferne. Heinz Werner Blum, Geschäftsführer der Lebenshilfe Vorarlberg nach der Filmpremiere: "Wir versuchen das Thema Inklusion zu forcieren, aufzuzeigen, wie wertvoll Verschiedenheit ist. Menschen mit Behinderung sind Teil unserer Gesellschaft, man muss sie nicht erst integrieren." Der Film und Pinedas Arbeit seien enorm wichtig, um Vorurteile abzubauen, machten Mut, Menschen in ihrer Verschiedenheit ernst zu nehmen. Blum: "Jeder soll sein Umfeld so gestalten können, wie er es für richtig hält." (Jutta Berger, DER STANDARD/Printausgabe, 20.07.2010)