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Insekt mit medizinischem Potenzial

Angriff ist die beste Verteidigung - mit dieser Strategie hat der ein oder andere Naturliebhaber wohl schon schmerzhaften Hautkontakt gehabt - in Gestalt von verteidigungswilligen Ameisen. Aber auch ohne direkte Berührung können sich Ameisen bemerkbar machen: "Rote Waldameisen nehmen eine Hand aus etwa 15 Zentimeter Entfernung wahr und gehen dann in eine Abwehrstellung indem sie den Hinterleib zwischen den Beinen nach vorne klappen und so gezielt auf den vermeintlichen Angreifer Ameisensäure spritzen", weiß Harald W. Krenn, Biologe am Department für Evolutionsbiologie an der Uni Wien aus eigener Erfahrung."Das kann man an der Hand riechen, ohne jemals den Ameisenhaufen berührt zu haben."

Stechen und beißen

In unseren Breiten gibt es zwei Typen dieser fleißigen Insekten. Solche die stechen können - so wie ihre weitere Verwandtschaft die Wespen - und jene, die beißen. Zur ersten Gruppe gehört die Knotenameise, zur zweiten die erwähnte berühmte Rote Waldameise. "Gelangt die Ameisensäure der Roten Waldameise in die Bisswunde, brennt das", erklärt Hannes Paulus, Leiter des Departments für Evolutionsbiologie an der Uni Wien. Die Ameisensäure wird zwar in einer Drüse im Hinterleib produziert, als "Pinkeln" kann das Versprühen aber nicht bezeichnet werden.

Giftig sei die Säure in so kleinen natürlichen Dosen für den Menschen nicht, so der Biologe, das Brennen sei aber natürlich unangenehm. Die Tierwelt macht sich die Ameisensäure sogar zu Nutze: "Manche Tiere wie die Dachse benutzen die Säure der Ameisen zur Desinfektion", weiß Paulus.

Medizinbehelf aus der Natur

Aus dem Regenwald Brasiliens sind Berichte überliefert, wonach Ameisen früher sogar eine "chirurgische" Funktion bei Verletzungen übernahmen. Die Soldaten der Roten Wanderameise wurden am Kopf hinter den Scheren gefasst und an die zusammen gedrückten Wundränder gehalten. Dann folgte der brutale Part: der Kopf der Ameise wurde vom Rumpf getrennt - mit der Konsequenz, dass die Scheren die Wundränder wie Klammern zusammen hielten - die frei werdende Ameisensäure wirkte zusätzlich antibakteriell. Kritisch sieht Ruth Kutalek von der Arbeitsgruppe Ethnomedizin an der MedUni Wien, diese und ähnliche Berichte: "Ich glaube nicht, dass diese Methode heute noch - außer vielleicht in Krisensituation - angewandt wird. Wenn überhaupt, können damit maximal sehr oberflächliche Wunden versorgt werden."

Vielfältiger Einsatz der Ameisensäure

Aufgrund der anti-bakteriellen Eigenschaften findet Ameisensäure auch Verwendung als Desinfektionsmittel in Reinigungsmitteln. Früher war sie als E-Nummer als Konservierungsmittel zugelassen, seit Ende der 1990er ist das aber nicht mehr erlaubt. Mit gutem Grund: so harmlos ist die Ameisensäure in größeren Mengen nicht. Sie kann die Augen reizen und die Atemwege belasten. 

Ameisen als Vorbild

Erforscht wird auch das medizinische Potenzial der Ameisen. Ameisensäure ist als Anti-Rheumamittel im Gespräch - dazu bedarf es aber noch genauerer Forschung. Und Forscher am deutschen Max-Planck-Institut für chemische Ökologie haben herausgefunden, dass sich Blattschneider-Ameisen durch das von Bakterien hergestellte Antibiotikum Candicidin vor Pilzschädlingen schützen. Laut dem Wissenschaftsjournal 'Proceedings of the National Academy of Sciences' verteidigen sie mit dieser Symbiose ihren Futterpilz gegen einen schädlichen Pilz. Erkenntnisse daraus könnten als Quelle für neue Wirkstoffe gegen Infektionskrankheiten dienen, so ein leitender Wissenschafter. (mat, derStandard.at)