Bild nicht mehr verfügbar.

Sebastian Vettel links neben Wolfgang Porsche und am Steuer eines Vintage-F1-Porsches aus dem Jahr 1962.

Foto: APA/ Johann Groder

Denken Sie sich alles von aktuellen Autos weg, worauf Sie gerne verzichten würden: ESP, Servolenkung, Einheitsdesign, Gewicht. Dann zählen Sie dazu, was Sie gerne hätten: Sound, Duft nach Benzin und Leder, gefühlsechte Verbindung mit Gerät und Asphalt. Reduce to the max. Oder, wie es Helmut Zwickl und Michael Glöckner nennen: Motorsport wie früher.
Zwickl und Glöckner, damals Berichterstatter und Fotograf der Formel 1 entwickelten die Idee zur Ennstal Classic beim Grand Prix von Belgien 1992 aus Unzufriedenheit mit der Unzugänglichkeit der damaligen Formel 1. Sie wollten Motorsport wieder interessant und greifbar machen.

Wer sich heutzutage die € 1.900,-- Startgeld leistet und das nötige Gerät (nicht jünger als 31.12.1972) mitbringt, darf den Sport in Motorsport getrost als solchen verstehen. Die Teilnehmer legen in 2 Tagen Sonderprüfungen mehr als 800 km zurück, teilweise in Vorkriegswagen. Keine synchronisierten Gänge, heißt Zwischengas, manche Autos haben überhaupt das Gaspedal links.

Es gilt dabei einen Schnitt von 50 km/h zu fahren, was sich erstmal nicht nach viel anhört. Bedenkt man jedoch die oben genannten Parameter sowie die Tatsache, dass es sich hierbei um Gebirgsstraßen mit entsprechenden Steigungen sowie Spitzkehren handelt, wird die Herausforderung an Mensch und Maschine klar. Diese lässt seit 1993 regelmäßig große Namen, sowohl Menschen als auch Maschinen, nach Gröbming ins Ennstal pilgern und die besten von ihnen schaffen es, auf die gesamte Fahrzeit von rund 20 Stunden eine Abweichung von unter 5 Sekunden zu erreichen. Pünktlichkeit neu definiert. Dabei darf sich der Fahrer nur auf seinen Beifahrer und einen analogen Wegstreckenmesser verlassen, Elektronik ist nicht nur verpönt, sonder streng verboten.

Erfolg, Geschichte

Waren es im ersten Jahr noch 35 Teilnehmer, die Sölkpass und Stoderzinken unsicher machten, so kamen zur heurigen 18. Auflage bereits derer 210. Und das Wachstum beschränkt sich nicht auf diese Veranstaltung. Neben der Ennstal Classic veranstalten Zwickl und Glöckner noch die Planai Classic, wo als zusätzliche Schwierigkeitsstufe auf Schnee gefahren wird. Man kann durchaus sagen, dass die Herren so etwas wie einen Oldtimer-Boom in Österreich losgetreten haben, gibt es doch mittlerweile fast jede Woche eine ähnliche Veranstaltung. Keine allerdings wird bei Fahrern und auch Firmen so ernst genommen wie die Ennstal Classic. Heuer feierten Firmen wie Alfa Romeo (100 Jahre Firmenbestehen), Porsche (Erster Le Mans Sieg vor 40 Jahren) und Audi (30 Jahre Quattro) Jubiläen und ließen zu diesem Anlass besondere Preziosen aus Ihren Hallen an die frische Luft. 2001 war sogar das legendäre Siegergespann der 1955er „Mille Miglia", der Mercedes 300 SLR 722 mit Fahrer Sir Stirling Moss am Start. Nämlicher ist seit jeher Aushängeschild und großer Fan der Ennstal Classic, außerdem enger Freund von Helmut Zwickl. Wie eng Moss mit dem Event verbunden ist, zeigt auch ein Kreisverkehr in Gröbming, der seinen Namen trägt.

Moss erinnert der Event, wie andere Rennfahrer, an eine Zeit, wo in ihren Boliden noch der Tod am Beifahrersitz mitfuhr. Die zahlreichen anderen Fahrer sowie die Fans hingegen genießen die Erinnerung an Ihre Kindheit und die Autos, die damals unerreichbar schienen und jetzt ihr Eigen, Leihgabe einer vertrauensvollen Person/Institution oder zumindest zum Greifen nah sind.
Wie intensiv diese das auskosten zeigen einzelne, die sogar zum Event in ihren Oldtimern fahren. Zum Beispiel aus England.

Rang und Namen

Höhepunkt der drei Tage dauernden Rallye war heuer für viele der Kurzbesuch von Sebastian Vettel, der beim traditionell am Samstag stattfindenden Grand Prix in Gröbming in einem Porsche 804 Formel 1 Wagen von 1962 und mit Drifts das Publikum entzückte und wenn gerade nicht im Auto, sich in einer Wolke aus Pressevertretern wiederfand.
Auch Gerhard Berger im legendären Porsche 917, der fünffache Le Mans Sieger Derek Bell und der Ex Formel 1 Pilot David Coulthardt genossen die Fahrt durch die staunende Menge.

„Autofahren im letzten Paradies" nennen es die einen, Walter Röhrl nennt es liebevoll „Tipferlscheißen". Alle sind sich einig, dass es sich um eine einzigartige Veranstaltung handelt und fast alle kommen sie wieder. Harte Arbeit in einer Kulisse aus Benzinduft, Fehlzündungen und Postkartenpanoramen. Motorsport wie früher. (Max Knechtel, derStandard.at, 19. Juli 2010)