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Kgalema Motlanthe, Südafrikas Vizepräsident.

Foto: Reuters/Balibouse
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Südafrika ist das Land mit den meisten HIV-Infizierten weltweit: Vizepräsident Kgalema Motlanthe erklärt im Gespräch mit Christoph Prantner, welche Maßnahmen Pretoria gegen die Seuche setzt.

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STANDARD: In Südafrika hat es in den vergangenen Jahren einen bemerkenswerten Umschwung in der Aids-Bekämpfungspolitik gegeben. Präsident Thabo Mbeki bezweifelte noch den Zusammenhang zwischen HIV und der Immunschwächekrankheit, heute ist das ganz anders. Warum hat es so lange für eine neue Aids-Politik gebraucht?

Motlanthe: Die Aids-Politik der südafrikanischen Regierung an sich hat sich nicht geändert. Was sich verändert hat, ist, dass der Präsident (Jacob Zuma, Anm.) heute die Kampagne für Aids-Tests und -Beratung anführt. Es treten nicht nur die Betroffenen in Erscheinung, es wird ein nationaler Konsens darüber gesucht, wie diese Pandemie bekämpft werden soll. Und wir haben damit schon erste Ergebnisse erreicht.

STANDARD: Heißt das, dass es keine sogenannten "Aids denialists" , Aids-Leugner, an wichtigen Verwaltungspositionen mehr gibt?

Motlanthe: Wie ich schon sagte, auch die vorhergehende Regierung stellte ihre Politik auf wissenschaftliche Fundamente. Die aktuelle Administration schaut daneben darauf, dass jeder, der eine Behandlung braucht, auch eine solche Behandlung bekommt. Und sie achtet darauf dass die Bemühungen, Neuinfektionen zu vermeiden, noch verstärkt werden.

STANDARD: Südafrika hat die höchste Zahl HIV-Infizierter weltweit. Haben Sie Anzeichen, dass die Seuche ihren Höhepunkt erreicht oder schon überschritten hat?

Motlanthe: Die Neuinfektionen sind rückläufig. Wir benutzen alle Instrumente, dies weiter voranzutreiben. Es hat sich etwa herausgestellt, dass die Beschneidung bei Männern das Risiko einer Neuinfektion um 60 Prozent verringern kann. Das ist ein Teil unserer Strategie. Dazu kommen bewusstseinsbildende Kampagnen, Beratungen und die Möglichkeitan, sich testen zu lassen.

STANDARD: Hilft die internationale Gemeinschaft Südafrika in aus-reichendem Ausmaß bei der HIV/Aids-Bekämpfung? Sind genügend antiretrovirale Medikamente zu einem bezahlbaren Preis für die Südafrikaner zu erhalten?

Motlanthe: Wir bekommen viel Hilfe von unseren internationalen Partner, vom Globalen Fonds zur Aids-Bekämpfung oder dem entsprechenden Programm des US-Präsidenten. Es ist wichtig, dass die entwickelte Welt die Hilfe jetzt nicht einstellt. Wir haben auch in unserem Land die Bemühungen verstärkt und etwa das Budget für die antiretrovirale Therapie um 33 Prozent erhöht. Der Preis für diese Medikamente macht uns in der Tat Sorgen. Wir kaufen weltweit am meisten davon, und wir sollten einen besseren Preis dafür bekommen. Das versuchen wir gegenwärtig durchzusetzen.

STANDARD: Wie hoch sind die Kosten, die der Staat Südafrika für den Kampf gegen Aids jedes Jahr aufwendet?

Motlanthe: Derzeit haben wir ein Budget von acht Milliarden Rand (814 Millionen Euro) für die kommenden drei Jahre

STANDARD: Es gibt an die drei Millionen Aids-Waisen in Südafrika, was wird für sie getan??

Motlanthe: Es gibt eine Vielfalt von Programmen für sie. Sie kommen zum Teil zu Pflegeeltern, und wir stellen sicher, dass alle zur Schule gehen. Sie sind nicht isoliert und in ein Ghetto gesperrt. Wir trachten danach, sie in einem möglichst normalen Umfeld aufwachsen zu lassen.

STANDARD: Nach der äußerst erfolgreichen Fußball-WM steht Südafrika vor der großen Aufgabe, die Kluft zwischen Reich und Arm im Land zu schließen. Viele Experten sehen darin die Nagelprobe, ob das Land nach dem Ende der Apartheid zu einem normalen Status findet. Was denken Sie?

Motlanthe: Wir setzen auf Bildung, Gesundheit, Arbeitsplätze, den Kampf gegen Korruption und Kriminalität sowie ländliche Entwicklung. Dieses Fünf-Punkte-Programm soll die Armut überwinden helfen. Es ist nicht genug, Einkommen umzuverteilen, es baucht einen integrierten Ansatz - wir wollen Fähigkeiten schaffen. In Apartheid-Zeiten wurde für die weißen Schulkinder dreizehnmal mehr Geld ausgegeben als für schwarze. Heute stehen für alle Kinder gleich viele Mittel zur Verfügung. Vor allem der Zugang zu Bildung wird helfen, den Teufelskreis der Armut zu brechen. (DER STANDARD, Printausgabe, 19.7.2010)