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Hofft, dass österreichische Investoren nach zahlreichen Klagen von Bürgern künftig "den bulgarischen Firmen nur ein gutes Beispiel geben": Bojko Borissov.

Foto: Reuters/Nenov

Bulgariens Premier Bojko Borissov kommt am Montag nach Wien. Diljana Lambreva sprach mit ihm über Probleme beim Reformprozess und mit österreichischen Investoren.

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STANDARD: Wie ist Ihre Bilanz nach einem Jahr Regierungszeit?

Borissov: Bulgarien ist zurzeit das Land mit den niedrigsten Steuern in der EU: zehn Prozent Einheitssteuer (Flat Tax). Im Unterschied zu unseren Nachbarn Rumänien und Griechenland haben wir die Steuern nicht erhöht, was einerseits gut für die Wirtschaft ist, andererseits ein besseres Investitionsklima ermöglicht. Die Verwendung von EU-Mitteln hat sich verbessert, der Kampf gegen die Korruption auch: Sie sehen, wie viele hochrangige Vertreter der vorherigen und der gegenwärtigen Regierung angeklagt worden sind. Aber auch Bürgermeister, Gouverneure, Gemeinderäte, auch von unserer Partei. Ich sehe diese Tendenz, die Korruption auch in den eigenen Reihen anzuprangern, als recht positiv.

STANDARD: Tatsächlich haben viele Prozesse begonnen, Urteile gibt es jedoch sehr wenige.

Borissov: Überall in Europa arbeitet Rechtsprechung nicht zu schnell. Aber das ist auch eine Garantie für richtige Entscheidungen und macht Vorwürfe über politischen Druck wie etwa von dem ehemaligen Premier Sergej Stanischev gegenstandslos. Die Besetzung des Hohen Gerichtsrates ist nämlich dieselbe wie zu seinen Zeiten.

STANDARD: Stehen dennoch Reformen in der Justiz an, die die Verfahren beschleunigen sollen?

Borissov: Wir haben eine Reform schon durchgeführt, und ich hoffe, der Bericht der EU-Kommission zum Fortschritt Bulgariens im Inneren und in der Justiz wird dies bekunden. Das sind etwa die Veränderungen im Strafkodex, die Bildung spezialisierter gemeinsamer Teams von Staatsanwälten, Ermittlern und Polizisten, die Arbeitsaufnahme von spezialisierten Gerichtshöfen. Im Unterschied zu Rumänien, das darauf besteht, dass der Monitoringprozess (der EU-Kommission, Red.) bei unseren beiden Ländern entfällt, möchten wir, dass er bleibt, weil Bulgarien und Rumänien im Schnellverfahren in die EU aufgenommen wurden. Gerade Kritikpunkte sind notwendig, um sofortige Maßnahmen zu ergreifen und in den vorgegebenen Fristen bis zum nächsten Jahr die Defizite zu beseitigen.

STANDARD: Ihre Umgangsart mit den Bulgaren unterscheidet sich von der Hochnäsigkeit der früheren politischen Eliten. Sie wirkt volksnah und wird mit der des früheren kommunistischen Staatschefs To-dor Schivkov assoziiert. Ist das ein unangenehmer Vergleich für Sie?

Borissov: Das Regime der Schivkov-Zeit hat viele Schicksale zerstört, einschließlich meines. Weil mein Großvater Staats- und Parteifeind war, wurde von mir schon mit 16 eine Geheimdienstakte erstellt, wo stand "Zu keiner Führungsposition zugelassen" . So werden einem die Flügel abgeschnitten. Deshalb wurde ich auch Feuerwehrmann.

STANDARD: Bei Ihrem zweitägigen Österreich-Besuch ab Montag sollen mit Bundeskanzler Werner Faymann und Finanzminister Josef Pröll neue Investitionen österreichischer Firmen in Bulgarien thematisiert werden.

Borissov: Es soll ein Vertrag zu dem strategischen Infrastrukturprojekt "Gorna Arda" unterzeichnet werden, einem Speicherkraftwerk am Fluss Arda nahe der türkischen Grenze. Das ist eine sehr arme Region.

STANDARD: Sind die Spannungen mit österreichischen Investoren, die durch Vorwürfe über Lizenzverstöße entstanden, überwunden?

Borissov: 80 Megawatt vom Hydroknoten "Zankov kamak" , der österreichische Auftragnehmer hat, kosten uns eine Milliarde Lewa (500 Mio Euro). Können wir damit zufrieden sein? Oder können wir damit zufrieden sein, dass hunderte Klagen von Bürgern über ausländische Stromversorger eingehen? Nach dem Prüfungsverfahren stellte sich heraus, dass der bulgarische Energieregulator durch Lücken in seinen Bestimmungen dies ermöglicht hat. Ich bin jedoch überzeugt, dass diese Unannehmlichkeiten der Vergangenheit gehören und die österreichischen Konzerne durch ihre Korrektheit und Produktivität den bulgarischen Firmen nur ein gutes Beispiel geben. (DER STANDARD, Printausgabe, 17.7.2010)