International betrachtet ist die Sicherheitspolitik der Schirm unter dem sich alle anderen Politikfelder entwickeln können. Eine Diskussion über die Wehrpflicht darf sich daher nicht auf Schlagworte beschränken, sondern muss seriös geführt werden. Auf Basis des Bedrohungsbildes sind die Ziele für die künftige Sicherheitspolitik festzulegen.

In der Europäischen Sicherheitsstrategie (ESS) wurden acht Hauptbedrohungen identifiziert. Diese erstrecken sich von Proliferation (Verbreitung von Massenvernichtungswaffen), über Terrorismus, gescheiterte Staaten, regionale Konflikte, Organisierte Kriminalität, Cyber-Security bis zu Herausforderungen wie Energiesicherheit und Klimawandel.

Diese Bedrohungen von außen können aber nur in einem gesamtheitlichen nationalen und internationalen Ansatz bewältigt werden, wobei militärische Kräfte nur ein, wenn auch wesentlicher Teil einer umfassenden Sicherheitsvorsorge sind.

Anforderungen definieren

Aus diesen Herausforderungen leiten sich die Aufgaben und Fähigkeiten der österreichischen Streitkräfte ab. Erst wenn diese klar definiert sind, kann die Struktur geplant werden.

Die derzeitigen und zukünftigen Aufgaben des Bundesheeres lassen sich grob in Inlandsaufgaben mit den Bereichen Assistenzleistungen zur Katastrophenhilfe, sicherheitspolizeiliche Assistenz und Schutz sowie die Beteiligung am internationalen Krisenmanagement mit der Teilnahme an friedensunterstützenden und humanitären Einsätzen sowie der Durchführung von Evakuierungen einteilen.

Aus meiner Sicht können unter Berücksichtigung der speziellen österreichischen Rahmenbedingungen, wie Aufbringbarkeit länger dienender Soldaten, gesetzliche Bestimmungen und des erwartbaren budgetären Rahmens, die derzeitigen und zukünftig erwartbaren Aufgaben mit dem System der Wehrpflicht am besten bewältigt werden.

Natürlich muss das derzeitige System verbessert und adaptiert werden. Meiner Meinung nach sollte der Grundwehrdiener in Zukunft in erster Linie für nationale Aufgaben wie Assistenzleistungen und Schutz verwendet werden. Dies macht auch eine Neuausrichtung der Ausbildung notwendig. Die herausfordernden Aufgaben und insbesondere der Auslandseinsatz werden vorwiegend durch Berufssoldaten und länger dienende Freiwillige abgedeckt. Die Miliz- bzw. Reserve-Einheiten sind für beide Bereiche weiterhin unverzichtbar und haben somit eine tragende Rolle in den Streitkräften.

Für die Optimierung des Systems sind ein klarer politischer Wille und die Bereitstellung der finanziellen Mittel notwendig.

Im Sinne der österreichischen Sicherheit und im Rahmen der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik der Europäischen Union ist jedoch eine seriöse Auseinandersetzung mit dem Thema Sicherheitspolitik durch die Verantwortungsträger der Republik Österreich dringend notwendig. (DER STANDARD Printausgabe, 17.7.2010)