Clemens Wallner zieht mit Zahlen der Erbschaftssteuerstatistik gegen eine Studie der Oesterreichischen Nationalbank ins Feld und ist damit in eine Falle getappt. Denn die Erbschaftssteuerzahlen des Finanzministeriums zeigen eine weit höhere Konzentration beim Erben als die OeNB herausfindet. Die vier reichsten Erben machten 2006 ein knappes Viertel des gesamten Erbschaftssteueraufkommens in Höhe von rund 102 Millionen Euro aus.

Anstatt mit einer fehlerhaften Auswertung der Daten, in der die Zahl der Erbfälle mit den geerbten Volumina verwechselt wird, hätte sich die Industriellenvereinigung still und leise bei der OeNB für deren ideologiefreie Studie bedanken sollen, weil die Notenbankforscher die Welt der Reichen weit verfehlt haben. Warum? Gegen die Studie - die in methodischer Hinsicht "state of the art" ist - lassen sich dennoch bedeutsame Argumente anführen, die auf eine Unterschätzung der Vermögenskonzentration hinweisen.

Im Einzelnen:

  • Von der OeNB werden nur Immobilienerbschaften betrachtet. Menschen, die höhere Immobilienwerte zu vererben haben, sind aber auch jene, die höhere Geldvermögenswerte (Sparbücher, Aktien, Anleihen, Unternehmensbeteiligungen) zu vererben haben. In der Studie fehlen Schenkungen, für die die Daten des Finanzministeriums eine ähnliche Konzentration wie beim Erben ausweisen. Gerade Immobilien werden häufig am Lebensende verschenkt. Erben und Schenken sind daher gemeinsam zu betrachten.
  • Die Bewertungsmethode der OeNB ist zu konservativ gewählt. Die Studie geht von maximalen Wertsteigerungen in Höhe des Verbraucherpreisindex aus. Die Immobilienpreise sind aber viel stärker gestiegen. In der internationalen akademischen Literatur werden für Erbschaften zwei bis drei Prozent an realen Steigerungen angenommen.
  • Die Vermögensforscher der OeNB geben selbst zu, dass die Survey-Daten den oberen Rand der Verteilung nicht erfassen können. Die Valluga AG, eine internationale Investmentgesellschaft, die das Vermögen von Millionären und Milliardären aus Deutschland, Österreich und der Schweiz aus verschiedenen Datenquellen erfasst, weist in ihrem Report allein für die reichsten zehn österreichischen Familien ein Vermögen von 58,8 Milliarden Euro aus. Unter den Reichsten überwiegen übrigens die Erben.
  • Die Studie erwähnt, dass es nicht möglich war, jene wenigen Haushalte, die besonders häufig erben, zu imputieren. Dies führt zu einer weiteren Unterschätzung der Konzentration.
  • Natürlich geben Haushalte in Befragungen (besonders in Österreich) eher zu niedrige als zu hohe Werte an.
  • Völlig unberücksichtigt bleiben jene Immobilienerbschaften, die über die Weitergabe von Privatstiftungen und anderen Wertdepots (Vorsorgewohnungen über Vermögensverwalter etc.) zustande kommen.

Fazit: Die Studie der Oesterreichischen Nationalbank verharmlost geradezu die extreme Ungleichheit beim Erben. Eine rationale Debatte auf der Grundlage weiterer Daten zur ungleichen Verteilung von Vermögen ist daher notwendig. Um in dieser Debatte bestehen zu können, sollte die Industriellenvereinigung aber intellektuell aufrüsten. (Bruno Rossmann, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 16.7.2010)