Einen für die Linux-Welt eher ungewöhnlichen Rhythmus hat man beim openSUSE-Projekt gewählt: Alle acht Monate bringt man eine aktualisierte Ausgabe der eigenen Linux-Distribution - die meisten anderen großen Distros halten sich hier an einen sechsmonatigen Zyklus. Eine Herangehensweise, die natürlich auch so ihre Vorteile hat, sind sechs Monate - rechnet man die ganzen Freeze-Zeiten, in denen die Codebasis nur mehr stabilisiert wird, weg - doch oft auch recht kurz, um neue Features einzubringen.

Download

Nun ist es jedenfalls wieder einmal so weit: Mit openSUSE 11.3 hat man vor wenigen Tagen eine neue Generation der eigenen Software zum Download freigegeben. Und dies wie von der Distribution gewohnt in diversen Varianten: Da wäre einmal ein mit rund 4 GB recht umfangreiches DVD-Image, das dann aber auch gleich einen Großteil der zur Verfügung stehenden Software mitliefert - und bei der Installation die größte Wahlfreiheit lässt. 

Wahlfreiheit

Wer es gern etwas schlanker hat, darf hingegen auch zu den Live-Images greifen, die entweder eine typische KDE oder eine GNOME-Umgebung bieten - und diese auch gleich installieren lassen. Die Images lassen sich übrigens nicht nur auf CD brennen, sie können auch problemlos auf einen USB-Stick gebannt werden - etwa mit dem Tool ImageWriter.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Die Installation selbst ist dann in weiten Teilen relativ deckungsgleich, die Unterschiede bewegen sich vor allem im optischen Bereich - und eben bei der Softwareauswahl. Den DVD-Installer hat man grafisch etwas stärker herausgeputzt, auch wenn man in diesem Fall fast schon etwas über das Ziel hinausgeschossen ist, schwarze Schrift auf grau verlaufendem Hintergrund erhöht die Lesbarkeit nicht unbedingt.

Simpel

Freilich ist der Installer mittlerweile dermaßen einfach zu benutzen, dass es ohnehin kaum etwas Relevantes zu lesen gibt, die grundlegenden Schritte wie Einrichtung der Spracheinstellungen und der Zeitzone werden die meisten NutzerInnen wohl bereits im Schlaf beherrschen. Der Großteil der Installation läuft also mit minimaler UserInnen-Interaktion ab, insofern sollen im Folgenden vor allem die realen Änderungen zur Vorgängerversion sowie openSUSE-Spezifika im Mittelpunkt stehen.

Speicherwarnung

So fällt bei der Installation von den Live-Medien etwa auf, dass openSUSE bei Rechnern mit weniger als 1 GByte Hauptspeicher meckert, und darauf hinweist dass bei solchen Systemen unter Umständen im Hintergrund laufende Programme automatisch beendet werden, um sich den nötigen Raum zu verschaffen. Eine Behauptung, mit der sich die Distribution gewissermaßen selbst Unrecht tut, funktioniert der Install doch selbst mir der Hälfte des verfügbaren RAMs noch problemlos, hier ist man wohl eine etwas übervorsichtige Herangehensweise gewählt - die die NutzerInnen mehr verunsichert als real zu unterstützen.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Wer die DVD als Ausgangspunkt für die Systemeinrichtung gewählt hat, bekommt die openSUSE-typische Desktop-Wahl präsentiert. Die Geschichte dieses einen Dialogs könnte wohl selbst ganze Artikel füllen, wurden darum doch in den letzten Jahren - vor allem bei der treibenden Kraft hinter openSUSE, Novell -  für Außenstehende wohl nur schwer verständliche, äußerst emotional aufgeladene Konflikte geführt. 

Auswahl

Auslöser war der Umstand, dass Novell zentrale EntwicklerInnen der beiden großen freien Desktop-Projekte - KDE und GNOME - beherbergt, und diese auch auf diesem Wege ihrem Projekt einen Vorteil verschaffen wollten. Aktuell ist hier jetzt die Checkbox neben KDE automatisch angewählt, dafür ist der GNOME - dem Alphabet folgend - als erstes geführt.

LXDE

Wer etwas genauer schaut, dem stellen sich aber noch weitere Optionen, unter "Andere" finden sich nämlich zusätzliche Angebote. Neben dem bereits bekannten Xfce wird erstmals der besonders schlanke LXDE dargeboten. Dieser ist in Version 0.5.5 enthalten und glänzt vor allem mit seinem geringen Ressourcenverbrauch, wodurch er gerade für ältere Systeme durchaus eine Versuchung wert ist.

Screenshot: Andreas Proschofsky

LXDE basiert dabei wie auch GNOME auf dem grafischen Toolkit GTK+, setzt aber bei zentralen Anwendungen auf eigene Lösungen etwa den Display-Manager LXDM oder den File Manager PCManFM. Im Hintergrund werkeln aber noch einige weitere GNOME-Technologien wie die virtuelle Dateisystemebene gvfs.

Aufgeteilt

In Fragen Festplatteneinrichtung - also einer gerade bei einem Rechner mit mehreren Systemen immer etwas diffizilen Aufgabe mit gewissem Restrisiko - hat openSUSE mittlerweile eine wirklich gute Lösung parat. Vorschläge werden automatisch unterbreitet, für die meisten Systeme reichen diese ohnehin, wer eine bestimmte Aufteilung selbst vornehmen will, kann dies ebenfalls recht übersichtlich vornehmen.

Verschlüsselt

Erfreulich auch, dass openSUSE die Vollsystemverschlüsselung mittlerweile sehr einfach macht, hier reicht die Auswahl der Festplatteneinteilung als LVM-basiert und die anschließende Anwahl des Punktes "Volume Gruppe verschlüsseln" - der Rest wird dann selbsttätig erledigt. Darauf folgt dann natürlich noch die Eingabe eines Passwortes, das künftig beim Booten eingegeben werden muss, um überhaupt in das Linux-System booten zu dürfen.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Eine etwas versteckte Premiere gibt bei openSUSE 11.3 die von den Kernel-EntwicklerInnen ausgegebene "Zukunft der Linux-Dateisysteme": btrfs kann optional ausprobiert werden. Wer dies will, muss allerdings die Partitionierung manuell anpassen, auch warnt die Distribution explizit vor dem Einsatz - immerhin wird das Ganze noch nicht als stabil angesehen.

Boot

Wer es trotzdem schon mal ausprobieren will, sollte darauf achten, eine separate Boot-Partition anzulegen, kann der verwendete Boot-Loader Grub 0.97 doch noch nicht mit btrfs umgehen. Zum Boot-Loader noch ein paar Extra-Worte, dies ist nämlich ein in openSUSE 11.3 mit so manchen Fallstricken behafteter Bereich. So gibt sich die Distribution beim Vorhandensein eines anderen Systems auf der Platte zurückhaltend, und installiert den Boot-Loader nicht im Master-Boot-Record sondern in der eigenen Root-Partition. An sich zwar ein durchaus netter Zug, aber eben auch einer mit hohem Verwirrungspotential für die NutzerInnen, muss doch openSUSE dann erst beim anderen System manuell in die Boot-Einträge eingefügt werden.

Problematisch

Dazu kommt, dass bei einer der Test-Installationen der Master-Boot-Record beschädigt wurde - die Folge ist ein zunächst mal nicht mehr bootendes System. Nach einer zweiten Installation ging dann zwar wieder alles, aber so etwas sollte eigentlich nicht passieren. Ein weiterer kleinerer Bug: Während Windows, Fedora und Gentoo-Installationen problemlos entdeckt und in den Bootloader von openSUSE eingetragen wurden, galt es für Ubuntu manuell nachzubessern - was aber wohl am dort verwendeten GRUB 2 liegt.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Auch wenn man bei openSUSE nicht müde wird zu betonen, dass man beide große Desktops gleichberechtigt unterstützt, bildet doch der KDE mittlerweile - wieder - die Default-Einstellung. Insofern kommt diesem hier besondere Bedeutung zu, auch deswegen weil openSUSE gewohntermaßen einen sehr gut konfigurierten KDE abliefert - etwas das leider nicht für alle Distributionen gleichermaßen gilt. 

Ausstattung

openSUSE 11.3 kommt mit KDE 4.4.4, womit man das für Anfang August vorgesehene KDE 4.5 zwar knapp verpasst, dafür aber eine bereits länger getestete - und somit wohl auch stabilere - Desktop-Version einsetzt. Wie gewohnt, informiert openSUSE KDE beim ersten Start über einige wichtige Eckpunkte des Systems, wer will kann sich also gleich grundlegende Infos zu KDE4 zeigen lassen.

Features

Wer schon die Vorgängerversionen mit KDE4 genutzt hat, wird sich schnell zuhause fühlen, auf den ersten Blick sichtbar sind leichte optische Anpassungen an Theme und Panel. Darüber hinaus kann der Desktop aber durchaus auch mit einigen interessanten neuen Funktionen im Vergleich zu openSUSE 11.2 aufpassen.

Screenshot: Andreas Proschofsky

So hat etwa der Fenstermanager KWin gleich mehrere neue Tricks gelernt - und sich dafür von anderen Systemen inspirieren lassen. Dazu gehört etwa es eine zum von Windows 7 bekannten "Aero Snap" verwandte Funktion, mit der Fenster automatisch angeordnet werden können, bei KDE4 nennt sich das ganze etwas nüchterner "Quick Tiling"

Funktionsweise

Wird ein Fenster in eine der oberen Ecken gezogen, wird es auf die Hälfte der jeweiligen Bildschirmseite angepasst, optimal um schnell mal zwei Programme nebeneinander herzurichten. Das Ganze ist auch optisch sehr ansprechend umgesetzt, die künftig Größe eines Fensters wird vorab mit einem semitransparenten Rahmen angedeutet.

Maximal

Wer seine Fenster lieber schnell mal den gesamten Screen nutzen lassen will, findet bei KDE4 übrigens ebenfalls Abhilfe: Einfach in die Mitte am oberen Bildschirmrand ziehen und die entsprechende Anwendung passt sich automatisch in ihren Abmaßen an.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Ein zweites großes neues Feature von KWin wird vor allem jene freuen, die ihren digitalen Alltag gern gut durchorganisiert brauchen: Das "Window Grouping" erlaubt die Zusammenfassung mehrere Anwendungen in ein gemeinsames Fenster.

Aufbau

Die einzelnen Programme werden nach so einer Gruppierung als Tabs in der Titelzeile zum Wechsel angeboten. Das Zusammenfügen und Auflösen solcher Gruppen lässt sich über das Kontextmenü eines jeden Fensters vornehmen. In der Taskzeile werden die betreffenden Programme dankenswerterweise weiterhin getrennt ausgewiesen, sonst würden einzelne Anwendungen wohl all zu leicht verloren gehen.

Dateien

Der Dateimanager Dolphin freut sich über die Integration der Desktop-Suche von KDE, hier kann nun also flott nach Dateien und deren Metadaten gesucht werden. Ebenfalls neu ist eine Timeline-Ansicht, mit der die Aktivitäten der letzten Tage im Dolphin durchstöbert werden können. Noch mal zum Thema Desktop-Suche: Dies soll dank des Virtuoso-Backends nun erheblich schneller zu Werke gehen.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Bekanntermaßen gibt es so einiges was Linux-Distributionen von Haus aus nicht mitliefern dürfen, das manuelle Einrichten von Audio- und Video-Codecs gehört also zu den gewohnten Aufgaben nach der ersten Installation. Ein Akt bei dem der GNOME-Desktop den NutzerInnen schon einige Zeit lang hilfreich zur Hand geht, nun zieht hier auch KDE nach.

Automatismus

Wird eine Datei aufgerufen, für die ein Codec fehlt, wird automatisch die Suche nach dem passenden Paket sowie dessen umgehende Einrichtung angeboten. Was in der Theorie uneingeschränkt zu begrüßen ist, ist bei openSUSE allerdings durch ein Informationsdefizit etwas in seiner Nützlichkeit beschränkt: Dass zuvor das - externe - Packman-Repository eingerichtet werden muss, verschweigt man, tut man dies nichts, liefert die Suche schlicht keine Ergebnisse.

Amarok

Apropos Mediengenuss: Mit openSUSE 11.3 wird nun die Version 2.3 des Musikplayer Amarok ausgeliefert. Zu deren Highlights gehört unter anderem die Unterstützung von USB-Mass-Storage-Geräten oder ein stark verbesserter Support für Podcasts und Playlists.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Mit "Synaptik" integriert die aktuelle Distribution zudem ein Tool zur Konfiguration von Touchpads, dieses kann über das Kontrollzentrum des Desktops erreicht werden. Es gibt eine verbesserte Theme-Integration von GTK+-Programmen, das Update-Applet von KDE kann nun auch mit Distributions-Upgrades umgehen.

Bugs

Zudem gibt es einen besseren Umgang mit dem automatischen Einhängen von externen Medien, hier können nun recht gezielt Verhaltensweisen des Desktops festgelegt werden. Fast - aber nicht ganz - dazu passend ist im Test ein kleiner Fehler aufgefallen: Eine interne, verschlüsselte Platte ließ sich nicht einhängen, zwar wurde das Passwort abgefragt, dann gab es aber eine recht kryptische Fehlermeldung.

Unterschiede

Beim openSUSE-GNOME tat sich dieses Problem hingegen nicht auf, da funktionierte das Mounten auf Anhieb korrekt. Übrigens gibt es in dieser Frage derzeit einen entscheidenden Unterschied zwischen den beiden Desktops: Während der GNOME bereits ohne den - mittlerweile abgelösten Hardware-Abstraktions-Layer HAL auskommt, benötigt KDE diesen weiterhin für Power Managent, Disk-Handling und Co..

Screenshot: Andreas Proschofsky

Besonders nett in der neuen Version ist hingegen, dass sich in den Einstellungen - etwas versteckt - ein alternativer Darstellungsmodus für KDE verbirgt, der gut die Flexibilität des Plasma-Desktop-Konzepts zeigt. Speziell auf Netbooks ausgerichtet, steht hier die platzsparende Nutzung im Vordergrund, entsprechend nehmen Programme von Haus aus den gesamten Bildschirm ein.

Aufbau

Das Panel wird dabei erst eingeblendet, wenn der Mauszeiger an den oberen Bildschirmrand geführt wird. Dort gibt es dann unter anderem einen schnellen Zugriff auf die Suchfunktion, sowie eine Expose-artige Übersicht der gerade laufenden Programme.

Sozial

Der Home Screen selbst wird dabei von vier Widgets belebt, neben einer Wetteranzeige gehört dazu die Anzeige der Nachrichten von KDE.news. Auch bei openDesktop registrierte NutzerInnen aus der eigenen geografischen Umgebung werden hier dargestellt, zu guter Letzt darf noch schnell in der Knowledgebase gestöbert werden. Man sieht schon, hier wird die beim KDE Social Desktop zentrale Idee, dass Desktop-NutzerInnen einander helfen und direkt kommunizieren sollen, prominent in den Vordergrund gestellt.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Für das Starten von Anwendungen gibt es einen eigenen Launcher, der grafisch durchaus ansprechend realisiert ist, auch wenn etwa bei der Suche nicht immer klar ist, wo die entsprechenden Eingaben vorgenommen werden sollen. Zudem wird hier der schnelle Zugriff auf die Desktop-Einstellungen geboten.

Ecken

Die bereits erwähnte Übersicht der laufenden Anwendungen kann auch über eine "Hot Corner" aufgerufen werden, also einfach den Mauszeiger ins linke obere Eck schieben. Gerade bei schlechten Touchpads ist so etwas sehr nützlich, lässt sich die Ecke des Screens doch wesentlich leichter Erreichen als ein irgendwo platzierter Knopf.

PlusPlus

Im Test zeigte sich zwar noch der eine oder andere kleinere Darstellungsfehler, aber auch so ist die Plasma Netbook Edition mit ihrem reduzierten Interface schon ein echter Gewinn für die NutzerInnen entsprechender Geräte. KDE-Fans sollten also auf jeden Fall mal einen Blick riskieren.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Neben dem KDE gibt es bei openSUSE aber auch einen durchaus gut gepflegten GNOME-Desktop, hier in der aktuellen stabilen Version 2.30.1 enthalten. Rein äußerlich unterscheidet er sich nur marginal von seinem Vorgänger, unter der Haube hat sich aber auch hier einiges getan.

Nautilus

Allen voran die durch die neuere GNOME-Release übernommenen Neuerungen. Dazu gehört etwa eine Split-View beim Dateimanager Nautilus, bei der zwei Verzeichnisse direkt nebeneinander in einem Fenster betrachtet werden können. Auf eine Entwicklung von openSUSE-Sponsor Novell geht der vollständig neu gestaltete IMAP-Support für die Mail/Kalender-Lösung Evolution zurück, der nicht nur weniger fehleranfällig sondern auch wesentlich flotter ist. Dazu kommt beim Evolution ein neuer Express-Modus, der ein etwas abgespecktes Interface für den Netbook-Betrieb bietet. Die eigentlich für MeeGo gedachte Entwicklung kann aus der Kommandozeile mit dem Aufruf von "evolution --express" gestartet werden.

Austausch

Umstellungen gibt es mit openSUSE 11.3 in der Softwareauswahl, zumindest eine davon birgt eine gewisse Symbolkraft: Die Mono-basierte Desktop-Suche Beagle - die einst von Novell selbst ins Leben gerufen wurde - ist mittlerweile durch das schlankere Tracker ersetzt worden. Eine Anpassung an aktuelle Realitäten, wird doch Tracker - im Gegensatz zu Beagle - derzeit noch äußerst aktiv weiterentwickelt.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Dem Trend anderer Distributionen folgt man mit einem Wechsel im Bereich Instant Messaging: Statt Pidgin kommt nun auch hier der offizielle GNOME-Bestandteil Empathy zum Einsatz. Fix in den Desktop integriert hat man iPhone / iPod touch Support, diese lassen sich über den File Manager Nautilus durchforsten.

Banshee

Bei der Softwareausstattung sticht die neue Version (1.6.1) des Media Players Banshee heraus, hat diese doch zahlreiche neue Funktionen spendiert bekommen. Neben eine "Grid View", in der die Album Covers als Navigationselement in den Vordergrund gestellt werden, gibt es nun auch - optional - Wikipedia-Einträge oder Youtube-Videos zu gerade wiedergegebenen Titeln.

Aufgeräumt

Das openSUSE-eigene grafische Paketmanagementtool YaST-Gtk wurde einer - äußerst notwendigen - Generalüberholung unterzogen und präsentiert sich so nun wesentlich übersichtlicher und somit auch funktioneller. Dazu passend sei erwähnt, dass openSUSE den Support für Adobe Flash zwar nicht automatisch mitliefert, bei der ersten Nutzung der Paketverwaltung aber automatisch zur Installation anbietet - selbiges gilt für MP3-Support.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Wie schon in der Vorgängerversion gibt auch openSUSE 11.3 wieder einen Vorgeschmack auf die GNOME Shell, und damit auf die zentrale Komponente vom für Herbst geplanten GNOME 3.0. Einmal installiert kann dieses beim Login-Manager als eigene Session ausgewählt werden, der Wechsel zwischen der Shell und dem klassischen Desktop ist also leicht zu vollziehen.

Treiberfragen

Wie immer gilt hier: Die GNOME Shell benötigt 3D-Support, also nicht wundern wenn es in der Default-Installation mit NVidia-Karten nicht funktioniert, Intel und ATI-NutzerInnen sind hier gewohnt im Vorteil. Apropos NVidia: Von Haus aus kommt hier nun der Nouveau-Treiber zum Einsatz, der den vom Grafikkartenhersteller mittlerweile eingestellten "nv" ersetzt. Zum Zeitpunkt des Test fehlte leider auch noch ein Paket für den Binär-Treiber von NVidia, dies folgt aber üblicherweise recht rasch nach einer neuen Release.

Grafisches

Der Grafikserver (xorg-server) ist in der Version 1.8 enthalten, mittlerweile gibt es auch bei openSUSE das Kernel Based Mode Setting - bei dem die korrekte Auflösung gleich am Anfang des Boot-Prozesses eingestellt wird - für praktisch alle Grafikkarten - ob von Intel, ATI oder NVidia. Jahrelang hatte man im openSUSE-Projekt mit "radeonhd" einen eigenen Treiber für ATI-Hardware gepflegt, das hat nun ein Ende, mit der neuen Ausgabe der Distribution kommt nun auch hier der verbreitetere "radeon" zum Einsatz.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Ein paar grundlegende Systeminfos zwischendurch: Der Kernel trägt die - aktuelle - Version 2.6.34, zum Erstellen der Pakete wurde bereits die gcc 4.5 verwendet. Darin inkludiert diverse Linker-Optimierungen, die etwa bei der Reduktion der Startzeit von Anwendungen helfen sollten. Das freie .Net Mono ist in der Version 2.6.4 mit dabei, die dazu passende Entwicklungsumgebung ist Monodevelop 2.2.2, für KDE gibt es KDevelop 4.0 und den Qt-Creator 1.3.1.

Server

Für den Server-Einsatz interessant ist unter anderem die Verfügbarkeit von MariaDB 5.1.44, einer erweiterten Variante von MySQL. Im Server-Virtualisierungsbereich setzt man die Zweigleisigkeit fort, neben KVM 0.12.3 wird auch Xen 4.0 geboten, dazu kommt für den Desktop-Bereich noch Virtualbox-ose 3.2.6.

Synchronisation

Zwar nicht fix integriert, aber in der Release-Ankündigung angepriesen, ist SpiderOak, ein Dritthersteller-Tool für Online-Backup und den automatischen Abgleich zwischen mehreren Rechnern. Im Test gab es allerdings Probleme bei der Installation, dies lässt sich aber leicht umgehen, in dem der entstehende Paketkonflikt einfach ignoriert wird. 2 GB Plattenplatz gibt es bei SpiderOak gratis, jeweils 10 US-Dollar im Monat fallen pro weiterer 100 GByte an, für openSUSE-NutzerInnen gibt es einen 15-Prozent-Rabatt

Screenshot: Andreas Proschofsky

Eine lange herbeigesehnte Verbesserung gab es am zentralen Paketmanagement von openSUSE: zypper kann nun auch nicht mehr benötigte Paket aufspüren und zur Entfernung vorschlagen. Mit conntrack hält außerdem ein neues Netzwerk-Filter-System Einzug, das die Paket-Inspizierung im Zusammenspiel mit iptables ermöglicht.

Boot

Optional hat man die Nutzung des Ubuntu-Boot-Systems Upstart ermöglicht, per Default wird aber weiter auf das klassische Init-System gesetzt. Ob Upstart in diesem Umfeld eine große Zukunft beschert ist, bleibt aber ohnehin abzuwarten, wird doch gerade mit systemd eifrig an einem neuen Ansatz gebastelt. Eine Kehrtwende hat man in Fragen Bittorrent gemacht, so wohl Transmission (GNOME) als auch KTorrent (KDE) werden nun mit DHT-Support ausgeliefert - in openSUSE 11.2 hatte man hier noch rechtliche Bedenken für die Deaktivierung angeführt, diese scheinen nun zerstreut.

Oberflächliches

Wer glaubt mit den bereits erwähnten Oberflächen wäre es bei openSUSE 11.3 bereits mit der Auswahl getan, sei eines besseren belehrt: So lässt sich auf Wunsch nicht nur die One-Laptop-per-Child-Umgebung "Sugar" nutzen auch das Netbook-optimierte MeeGo von Intel und Nokia wurde integriert. dies unter dem schönen Code-Namen "Smeegol".

Screenshot: Andreas Proschofsky

Auch wenn openSUSE 11.3 mit keinen wirklich "spektakulären" Änderungen aufwarten kann, präsentiert sich die neue Version als solides Update, das vor allem von den neuen Versionen der enthaltenen Softwarekomponenten lebt. Vor allem für KDE-NutzerInnen ist openSUSE wohl derzeit eine sehr interessante Option, ist der Desktop hier doch besser integriert als bei den meisten anderen Distributionen.

Kauf

Nicht vergessen werden soll auch, dass openSUSE ein gerade für EinsteigerInnen weiterhin sehr interessantes Angebot zu bieten hat: Neben den kostenlosen Download-Versionen kann openSUSE 11.3 auch käuflich erworben werden - dies dann in einer Box samt Handbüchern um rund 60 Euro.

Anmerkungen

Zum Schluss noch ein paar Anmerkungen allgemeiner Natur, die weitere Zukunft von openSUSE betreffend, hier stellen sich in den nächsten Monaten nämlich gleich mehrere größere Herausforderungen. So will man sich ja schon bald eine neue strategische Ausrichtung geben, entsprechende Vorschläge sind derzeit in Diskussion. Wohl eher unerwünscht spannend könnte es auch werden wenn Novell, das in den letzten Monaten recht unübersehbar auf der Suche nach einem Käufer war, einen solchen findet und damit auch die Linux-Abteilung in andere Hände wandert. Bleibt dann doch abzuwarten, wie stark das Interesse eines neuen Besitzers an der Community-Distribution ist, immerhin leisten Novell-Angestellte bei openSUSE noch immer den Löwenanteil der Arbeit.

Derzeit ist das Alles freilich nur Spekulation, insofern heißt es mal wieder: Abwarten. (Andreas Proschofsky, derStandard.at, 16.07.10)

Grafik: Novell