Romantik als Lebensabschnittsinhalt: Vampir Edward Cullen (Robert Pattinson) und Menschenkind Bella Swan (Kristen Stewart) müssen auch in "Biss zum Abendrot" auf manches warten.

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 Die jungfräuliche Heldin Bella wird darin von Gefühlsstürmen und einem Rudel junger Vampire heimgesucht.

Wien - Bella liebt Edward, und Edward liebt Bella. Jacob ist ihr ebenfalls treu ergeben und Bella seinen hartnäckigen Avancen nicht ganz abgeneigt. Was diese Gefühlskalamität unter US-Teenagern anno 2010 einzigartig macht, das ist der Umstand, dass es sich beim aristokratisch blassen Edward um einen Vampir - und Vegetarier - handelt und beim heißlütigen Native American Jacob um einen Werwolf. Beide sind um Triebabwehr bemüht:

Ein Biss könnte die zunehmend fordernder auftretende Bella ihre Menschlichkeit oder - im Fall des Werwolfs - zumindest ihre äußere Unversehrtheit kosten. Dieser archetypische Konflikt zwischen Herz und Hirn, zwischen Libido und Intellekt (oder Moral) produziert jenen rasenden Stillstand, der sich auf der Leinwand für etwas ältere Menschen in enervierendem Anschmachten vulgo Zeitschinden manifestiert. Ein Zustand, der jedoch offenbar auf weibliche, soeben der Latenzphase entwachsene junge Menschen unglaublich anziehend wirkt.

Rekordträchtige Vampire

Mit der Romantic Fantasy-Saga Twilight hat US-Neo-Autorin Stephenie Meyer nämlich den derzeit kommerziell erfolgreichsten Hype in Jugendzimmern rund um den Globus ausgelöst. Die Verfilmung des dritten Teils ihrer Romanserie, Eclipse - Biss zum Abendrot, sorgte bei der Premiere vor zehn Tagen in den USA erwartungsgemäß für Kassenrekorde. Auch die österreichische Cineplexx vermeldete für Vorpremieren in Form von Packages für zwei oder alle Teile bereits Rekordbuchungen.

Die Befürchtung, dass Teenager weltweit bei solchen Gelegenheiten schwerst konservatives Gedankengut eingeimpft bekommen, muss man langsam relativieren: Zum einen geht der aktuelle Film das Thema (kein) vorehelicher Sex diesmal explizit an, und er findet eine nur außerhalb des Twilight-Universums haarsträubende Begründung für die Enthaltsamkeit: Edwards Sozialisation im vorvergangenen Jahrhundert lässt ihn beim Petting eben innehalten - er sei "old school" und sie deshalb noch Jungfrau, lässt Bella ihren Vater wissen.

Zum anderen belebt und verstärkt Biss zum Morgengrauen das Motiv jugendlicher Nonkonformität wieder, das die bessere erste Hälfte des ersten Twilight-Films prägte: Anders zu sein als der Mainstream, Fehler zu machen, das sei okay. Das ist nicht die blödeste Botschaft, die man an ein Millionenpublikum richten kann.

Das Schicksal von Bella (Kristen Stewart), Edward (Robert Pattinson), Jacob (Taylor Lautner) und Co wird uns noch zwei weitere Filme lang beschäftigen. Beim aktuellen dritten Film hat, wie im Franchise-Geschäft üblich, der dritte Regisseur den Vertrieb der Marke zu verantworten: Der Brite David Slade hat diesen Job übernommen. Der 38-Jährige hat als Clipregisseur für Warp Records und für Fürsten der Finsternis wie Aphex Twin begonnen. Zuletzt hat er sich mit dem Horrorfilm 30 Days of Night Kredibilität in Sachen Vampirismus erworben.

Tatsächlich wirkt das romantische Drama unter seiner Ägide dynamischer; allerdings tut auch der Fortgang der Erzählung einiges dazu: Das Unentschieden zwischen Edward und Jake hat komische Nebeneffekte. Kurze Rückblenden ins (menschliche) Vorleben einzelner Protagonisten geben der Haupthandlung ein wenig mehr Fülle. Und schließlich treten Neovampire auf den Plan, unbändige frischgefangene Blutsauger und Blutsaugerinnen, aus denen die Rächerin Victoria (nunmehr von Bryce Dallas Howard verkörpert) eine gefährliche Armee formiert, um Bella und Edwards Clan, die mit dicken Puderschichten überzogenen Cullens, zu liquidieren.

Das gibt quasi ein bisschen horrorfilmgemäßes Abschlachten zwischen all dem romantischen Anschmachten. Die Wolfsanimationen und die Spezialeffekte insgesamt sind geschmeidiger und weniger unfreiwillig komisch gestaltet. Das Schauspiel dagegen bleibt oft ein bemühtes So-tun-als-ob - die Vermittlung intensivster Gefühle ist eine Aufgabe, an der die längst zu Teen-Idolen gewordenen jugendlichen Darsteller, zumal die männlichen, immer wieder scheitern. Und die weichgezeichnete Ästhetik der Serie, die sich an Sujets und Bildsprache von Romanheftchen-Covers anlehnt, bleibt grenzwertig.

Der reinen Liebe wahrer Fans tut dies alles mit Sicherheit keinen Abbruch. (Isabella Reicher/DER STANDARD, Printausgabe, 14. 7. 2010)