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Roman Polanski auf dem Balkon seines Chalets in Gstaad, in dem er unter Hausarrest stand - Seit Dezember stand der Regisseur dort unter Hausarrest, davor saß er im Gefängnis

Foto: AP Photo/Laurent Cipriani

Das filmreife Drama um Roman Polanski endet mit einem Happy End für den Regisseur: Die Schweizer Regierung lehnt eine Auslieferung des wegen sexuellen Missbrauchs Verdächtigten in die USA ab. Die Eidgenossen machten geltend, die USA hätten entscheidende Zeugenaussagen im Fall Polanski nicht übermittelt - das gab die Schweizer Justizministerin Eveline Widmer-Schlumpf am Montag in Bern bekannt.

Filmemacher Polanski ("Der Pianist", "Frantic", "Chinatown") konnte noch am selben Tag um 11.30 Uhr die elektronische Fußfessel abstreifen und sein Chalet in Gstaad als freier Mann verlassen. Seit Dezember 2009 wurde der französisch-polnischen Doppelstaatsbürger dort unter Hausarrest gehalten. Insgesamt saß Polanski rund zehn Monate in der Schweiz fest. Der 76-Jährige soll 1977 eine 13-Jährige in Los Angeles mit Alkohol und Drogen gefügig gemacht und sexuell missbraucht haben. Justizministerin Widmer-Schlumpf nannte die Tat "höchst verwerflich".

Die US-Behörden hätten die Entscheidung der Schweizer "zur Kenntnis genommen", sagte die Ministerin. Die Amerikaner könnten die Freilassung des 76-jährigen nicht anfechten.

Der exzentrische Filmemacher verdankt das Ende seiner Isolation in den Alpen Unklarheiten im Verfahren. Die Schweizer Behörden hatten von den USA die Herausgabe eines Protokolls verlangt. "Das mussten wir haben", so die Justizministerin. Doch die US-Behörden weigerten sich, das Schriftstück an die Eidgenossen zu senden.

Es handelt sich um eine Befragung des Staatsanwalts Roger Gunson vom 26. Januar 2010 - der Jurist war in den 70er-Jahren für den Fall Polanski zuständig gewesen. Polanski hatte damals die Vergewaltigung der Minderjährigen zugegeben und verbrachte 42 Tage in einer psychiatrischen Abteilung eines kalifornischen Gefängnisses, später setzte er sich ins Ausland ab.

Fehlende Grundlage

Aus dem Protokoll soll laut Schweizer Behörden Folgendes hervorgehen: Der damals zuständige Richter in den USA habe ausdrücklich zugesichert, Polanski könne nach den 42 Tagen Haft wieder in die Freiheit zurückkehren. Falls Polanski seine Strafe tatsächlich bereits verbüßt habe, fehle dem Auslieferungsgesuch der USA die Grundlage, argumentieren nun die Schweizer.

Mit Schadensersatzforderungen des Multimillionärs Polanski rechnet die Schweizer Regierung offensichtlich nicht. Widmer-Schlumpf erklärte zwar, Personen, die in der Schweiz verhaftet und nicht ausgeliefert werden, hätten ein Anrecht auf eine Kompensation. Nur: Im Fall Polanski habe der Verhaftete selbst darauf bestanden, das Prozedere nicht hastig über die Bühne zu bringen. Die Schweizer Behörden hätten den juristischen Sachverhalt exakt geprüft. "Das dauert eben eine gewisse Zeit", hieß es aus dem Berner Justizministerium.

Die US-Behörden hatten im Jahr 2005 den flüchtigen Polanski international zur Verhaftung wegen des Missbrauchs einer Minderjährigen ausgeschrieben. Im September 2009 reiste der Künstler, der in Frankreich lebte, nach Zürich, um einen Filmpreis abzuholen und wurde festgenommen.

Polanski saß zunächst im Gefängnis. Später durfte er gegen Zahlung von drei Millionen Euro Kaution mit Familie in sein Chalet übersiedeln. Mehrere Prominente und auch das Opfer selbst, eine heute über vierzig Jahre alt Frau, hatten sich mehrfach für ein Ende der Strafverfolgung ausgesprochen. (Jan Dirk Herbermann aus Genf/DER STANDARD, Printausgabe, 13. Juli 2010)