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"Es geht überhaupt nicht um ein Kopftuch oder ein Hijab, es geht um echte Islamisten, um eine Ideologie des Todes."

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Das Buch ist beim deutschen SCM Hänssler Verlag erschienen, der eine dezidiert christliche Ausrichtung hat. In den USA ist "Son of Hamas" bei Tyndale erschienen.

Foto: SCM Hänssler Verlag

Er gehörte eigenen Angaben zufolge zum innersten Kreis der palästinensischen Terrororganisation Hamas, warf während der Intifada Steine auf israelische Soldaten. Die Haft im "Hamas-Block" eines israelischen Gefängnisses öffnete ihm die Augen: "Wir müssen zuerst unseren inneren Feind bekämpfen", sagt Mosab Hassan Yousef, Sohn des Hamas-Mitbegründers Hassan Yousef, im Gespräch mit derStandard.at. Von 1998 bis 2007 spionierte er für den israelischen Nachrichtendienst Shin Beth in den Reihen der Extremisten und will so mehrere Anschläge verhindert haben. Heute lebt der 32-Jährige nahe San Diego in den USA und nennt sich seit seiner Taufe  "Joseph". Am 30. Juni wurde dem Palästinenser Asyl in den USA gewährt. In seiner Autobiographie "Sohn der Hamas. Mein Leben als Terrorist", unlängst im deutschen SCM Hännsler-Verlag erschienen, beschreibt Yousef seine seltsame Wandlung vom Islamisten zum evangelikalen Christen.

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derStandard.at: Glauben Sie, dass Sie Ihren Vater jemals wiedersehen?

Mosab Hassan Yousef: Ja, das glaube ich. Die Situation im Nahen Osten wird sich auch einmal ändern, die heutige Technologie erlaubt uns ja Kommunikation mit dem Rest der Welt. Wenn der Islam zwischen meiner Familie und mir steht, werde ich den Islam zerstören. Ich liebe meinen Vater und ich weiß, dass er mich liebt. Ich kann es nicht erwarten, wieder mit meiner Familie zusammen zu sein.

derStandard.at: Aber ist Ihrer Meinung nach wirklich der Islam Schuld an der Situation im Nahen Osten, oder nicht vielmehr das Militärregime der Hamas?

Yousef: Ich glaube wirklich, dass der Islam das Problem ist. Es geht um eine Ideologie. Der Islam verlangt von meinem Vater mich zu töten, wenn ich zu einer anderen Religion übertrete. Verstehen Sie, was das bedeutet?

derStandard.at: Haben Sie eigentlich jemals zu Ihrer Familie Kontakt aufgenommen, seitdem Sie in den USA sind?

Yousef: Nein, leider nicht. Heute (am Freitag, Anm.) war die Hochzeit meiner Schwester und ich habe nur durch Zufall von Freunden davon erfahren. Ich konnte sie nicht einmal anrufen, um ihr zu gratulieren.

derStandard.at: Westliche Geheimdienste, darunter der deutsche, warnen häufig vor Konvertiten, die sich dem militanten Islamismus zugewandt haben. Können Sie Menschen verstehen, die den umgekehrten Weg gehen, also zum Islam übertreten?

Yousef: Jeder Mensch hat das Recht, sich seine Religion auszusuchen. Aber ich bin mir sicher, dass viele dieser Menschen besser noch ein paar Jahre den Koran studiert hätten, bevor sie sich entscheiden. Ich garantiere ihnen nämlich, dass sie falsch liegen.

Zum Zweiten: Jede Regierung sollte auf der Hut sein, wenn es in ihrem Land Islamisten gibt. Es geht überhaupt nicht um ein Kopftuch oder ein Hijab, es geht um echte Islamisten, um eine Ideologie des Todes.

derStandard.at: Sie schreiben in Ihrem Buch, dass Religion keine Lösungen für den Konflikt in Nahost biett. Nun lassen Sie aber auch deutliche Abneigung der säkularen Palästinenserorganisation Fatah gegenüber erkennen. Wieso?

Yousef: Die Fatah hat ein Lehrbeispiel in Korruption dargestellt und daneben verehrt ja auch die Fatah den islamischen Gott und kämpft in dessen Namen. Etwa durch ihren bewaffneten Arm, die Al Aksa-Brigaden, die im Namen Allahs Selbstmordanschläge begehen.

derStandard.at: Oft wird mit dem Argument, die Hamas sei im Gazastreifen demokratisch gewählt worden, der Kritik an ihrer Politik entgegengehalten. Was halten Sie davon?

Yousef: Ja, die Hamas wurde gewählt, aber Demokratie ist kein Prinzip, das diese Organisation vertritt. Wenn man das System von innen zerstören will, muss man es genau kennen. Ich kenne die Hamas genau, weiß wie diese Leute denken und welche Probleme sie haben. Ich sage Ihnen, dass die Hamas ein absoluter Feind der Demokratie ist. Für sie ist Demokratie nur ein Mittel zum Zweck.

derStandard.at: Nun versucht Israel seit längerem, die Hamas von den Hebeln der Macht in Gaza zu vertreiben, teils mit gewaltsamen Mitteln. Bisher ohne Erfolg. Was würde denn eher funktionieren?

Yousef: Man müsste die Hamas davon überzeugen, ihrer Ideologie abzuschwören, Israel und Palästina nicht mehr als islamischen Besitz zu betrachten. Diese Idee befeuert ihren Kampfeswillen immer weiter. Diese Ideologie macht mir große Sorgen, weniger die Frage Hamas oder Fatah. Erst müssen wir unsere inneren Feinde besiegen, bevor wir uns um die Frage des Friedens kümmern können.

derStandard.at: Fiel es Ihnen nicht schwer, Ihre Familie einer so großen Gefahr auszusetzen?

Yousef: Doch, das war nicht leicht. Aber jeder muss Opfer bringen. Wir können noch lange vom Frieden träumen, ohne Opfer wird es keinen Frieden im Nahen Osten geben. (flon/derStandard.at, 12.7.2010)