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Er kam mit Verspätung und sorgte nicht für ungeteilte Begeisterung - aber jetzt ist er da.

Foto: APA/HERBERT RAFFALT

Graz - "Mit diesem Projekt teste ich unser Verständnis für die Natur", lautete die Antwort des chinesischen Künstlers Ai Weiwei auf eine der 100 Fragen im Rahmen des Projektes "Hoher Dachstein", das am Sonntag auf der Dachsteinseilbahn-Bergstation präsentiert wurde. Am Freitag war das Kernstück des Projekts, ein Fels aus der chinesischen Provinz Sichuan, auf den Gipfel geflogen worden. Davor gab es die Möglichkeit, in Form eines öffentlichen Interviews Fragen an Ai Weiwei zu stellen. Die Antworten - der Künstler war nicht persönlich anwesend - wurden am Sonntag veröffentlicht, das Projekt in der Station am Hunerkogel ist bis 14. August zugänglich.

Als er von den Widerständen gegen das Projekt gehört habe, begann es ihn noch mehr zu interessieren, so der Künstler. Ein Projekt gewinne immer an Bedeutung, sobald die Leute dagegen seien. Bemerkenswert die Aussage Weiweis auf "Wie sollen die Menschen, die in einem Jahr auf den Dachstein klettern, diesen Stein wahrnehmen?" - "Sie sollten den Felsen vergessen". Der Respekt vor der Natur bzw. das Leben im Einklang mit der Natur sei in der chinesischen Philosophie tief verankert, meinte ein Fragesteller: "Ist dieses Projekt nicht genau das Gegenteil davon?" - "Mit diesem Projekt teste ich unser Verständnis für unsere Natur", so Weiwei.

In China finde das Projekt so gut wie keine Beachtung, so der Künstler in einer der Antworten, "da es den Publikumsmedien fast zur Gänze verboten ist, über meine Arbeit zu berichten. Gerade dieses Projekt hat einen sogenannten 'heiklen Informationshintergrund', was bedeutet, dass alles, was mit dem Erdbeben in Sichuan zu tun hat, sehr heikel sein könnte". Wenn man einen Stein aus Europa z. B. auf den Minya Konka, den höchsten Berg in Sichuan, brächte, so Weiwei in Beantwortung einer entsprechenden Frage, würde er als Individuum oder als Chinese so ein Projekt sehr gerne sehen.

Die Reaktion der Leute auf Kunst entstamme ihrem Wissen über zeitgenössische Kunst: "In China ist die zeitgenössische Kunst aufgrund der politischen Situation noch nicht vollständig entwickelt und daher muss auch die Reaktion anders ausfallen", sagte Weiwei. Kunst arbeite aus sich selbst heraus. Beim Beben in Sichuan habe es sich um ein gewaltiges Erdbeben gehandelt, bei dem an die hunderttausend Menschen ihr Leben verloren. Das Erdbeben beschreibe den dramatischen Zustand, in dem sich diese Nation befinde, wie sie aufgebaut sei und wie die Strukturen funktionieren oder nicht funktionieren.

Er beschäftige sich sehr stark mit der Erforschung eines Modells des gesellschaftlichen Wandels, einer Bürgerbewegung und gleichzeitig mit der Frage, wie Individuen ihre eigenen Gefühle mit Hilfe des Internets antizipieren und ausdrücken könnten. "Wie können Sie eine neue Ausdrucksform kreieren, mit der Sie die Leute erreichen", so eine der Fragen dazu. "Als das Dachstein-Projekt spruchreif wurde, habe ich es für eine großartige Idee gehalten, einen Felsbrocken aufzuheben, der von einer Bergspitze ins Tal gerollt war, und diesen auf eine andere Bergkette umzusiedeln", so Weiwei. Fragen und Antworten im Zuge der Diskussion sollen übrigens auf Twitter veröffentlicht werden. Gefragt, was ihm näher sei, Twitter oder die "aufwendige Steinreise"? - "Dieses hier, der Felsen. Der Stein, der auf dem Dachstein platziert werden soll, ist eines meiner Lieblingsprojekte".

Eine der Fragen lautete, ob der "Steintransport auch eine Kritik am teils absurden globalen Warentransport, z. B. von chinesischem Knoblauch nach Europa" sei oder ob die Reise des Steins als ironisches Statement auf die für China lebenswichtigen Exporte verstanden werden könne? China habe bisher nicht Hochtechnologie exportiert, so die Antwort, sondern eher arbeitsintensive Produkte, und das Land habe noch immer keine Chance bekommen, bessere Produkte zu liefern. "Da die Arbeitskraft noch viel günstiger geworden ist, kann der Export des Felsens vielleicht als eine Strategie, eine neue Strategie angesehen werden", so Weiwei. (APA)