Martin Holener
Landwirt

Foto: Andreas Roovers, Wädenswil/Mythenfilm

Peter Suter
Sandstrahler

Foto: Andreas Roovers, Wädenswil/Mythenfilm

Kari Reichmuth
Steinbockjäger

Foto: Andreas Roovers, Wädenswil/Mythenfilm

Martin Horat
Sensenhändler

Foto: Andreas Roovers, Wädenswil/Mythenfilm

Die fundamentalen, die zentralen Menschheitsfragen nach dem Woher, Wohin, Warum müssen seit jeher um eine entscheidende weitere ergänzt werden: Wie wird das Wetter morgen? Wenn man schon nicht weiß, wann man dereinst abtreten und was danach sein wird, möchte man zumindest wissen, ob einen morgen nicht der Blitz erschlagen könnte. Am Wetter hängt, zur Schönwetterlage drängt doch schließlich alles.

Gerade im Zeitalter des Klimawandels, zunehmender Naturkatastrophen und zwar allgegenwärtiger globaler, aber lokal oft unzureichender Satellitenbilder und computergesteuerter Wettervorhersagen droht dabei eine Tätigkeit etwas in den Hintergrund zu treten: das Prophezeien des Wetters aufgrund intensiver wie regelmäßiger Beobachtung der näheren Umgebung, von Flora und Fauna, von Winden und Wolken.

Im wild-romantischen Schweizer Muotatal, einer nur schwer zugänglichen Region in der Nähe des Gotthard im Kanton Schwyz, sind der Dokumentarfilmer Thomas Horat sowie Autorin Ileana Soana diesbezüglich auf die sogenannten "Wätterschmöcker" gestoßen. Der Meteorologische Verein Innerschwyz widmet sich seit 1947 nicht nur der Wetterbeobachtung und -chronik. Seit 63 Jahren versuchen jeweils sechs amtierende Wetterpropheten sowie zwei Wettermelder auch im fairen Wettstreit, die regionale Witterungslage jeweils für ein halbes Jahr vorauszusagen. Ein Wanderpokal gebührt demjenigen, der im Nachhinein die meisten Treffer in einem 20 Punkte umfassenden Vorhersagenkatalog erfüllt.

Der Mensch versucht das Wetter schon seit Jahrtausenden vorherzusagen. Immerhin hängt noch heute von der Temperatur und vom Niederschlag ab, ob Rekord- oder Missernten außerhalb von Glashauskulturen eingefahren werden. Und wurden früher oft auch Kriege und Schlachten, Sieg und Niederlage vielfach von der Witterungslage beeinflusst, so steht heute möglicherweise ein eher kurzfristiges Welteroberungsprogramm im Vordergrund: der Tourismus.

Wissenschaftlich fundiert beschäftigte man sich mit dem Wetter etwa seit Mitte des 17. Jahrhunderts und den Erfindungen des Thermometers und Quecksilber-Barometers und damit einhergehend der durch Wetterchroniken ermöglichten Klimaforschung. Die Beobachtung der Himmelskörper und Naturerscheinungen als Ausgangsbasis für Voraussagen reichen aber weit in die vorchristliche Zeit zurück. Die Einteilung des bäuerlichen Jahres von der Aussaat bis zur Ernte fand spätestens ab dem Mittelalter Eingang in zahllose Bauernkalender und Bauernregeln. "An Martini Sonnenschein, tritt ein kalter Winter ein" oder "Wenn an Martini Nebel sind, wird der Winter meist gelind" und der 11. November als entscheidendes Datum für den Verlauf der kommenden kalten Jahreszeit mögen zwar heute noch gerade im ländlichen Raum in aller Munde sein. Dass sich Prognosen wie diese in der Regel auch erfüllen, kann aber wissenschaftlich mit einer anderen Regel ruhigen Gewissens falsifiziert werden: "Kräht der Hahn am Mist, ändert sich das Wetter oder bleibt, wie es ist." Kunststück bei einer Wissenschaft, die sich halbwegs seriös nicht mehr als fünf Tage vorauszuschauen traut.

Meteorologische Singularitäten im Alpen- und Voralpenraum, also mehr oder weniger regelmäßig und mehr oder weniger stark auftretende Witterungsphasen wie Altweibersommer, Eisheilige oder Hundstage einmal ausgenommen: Die Vorhersage des Wetters auch anhand des aus einem bayerischen Kloster des 17. Jahrhunderts stammenden "Hundertjährigen Kalenders", der davon ausgeht, dass sich der Wetterablauf alle sieben Jahre wiederholen würde, ist grundsätzlich eine des Glaubens und Aberglaubens.

Regisseur Thomas Horat versucht dem Phänomen archaischer, allerdings noch immer existierender Wetterprophezeiung in seinem aktuellen Dokumentarfilm Wätterschmöcker ebenso nachzustellen, wie es Ileana Soana in ihrem (unabhängig vom Film) erarbeiteten, optisch opulent ausgestatteten Buch Wetterpropheten unternimmt.

Heute mag sich der Meteorologische Verein Innerschwyz zwar längst auf die Pflege seiner Schrulligkeit und humoristisch eingefärbten Prognosen für das jeweils kommende Halbjahr verlegt haben. Diese werden längst vor Hundertschaften angereister Fans im Rahmen einer großen Muotataler Wettershow präsentiert, einer mit knochentrockenem und minimalistischem Humor vorgetragenen, für Nichtschweizer zumindest verstörenden Veranstaltung. Die verschiedenen Methoden aber, aufgrund derer die amtierenden Propheten ihre Vorherssagen treffen, sind doch reichlich skurril.

Der 48-jährige Landwirt Martin Holdener, auch "Musers" genannt, trifft seine Prophezeiungen anhand der Aktivitäten der Wühlmäuse und Maulwürfe auf seinem Besitz. Die Größe und Häufigkeit der Maulwurfshügel spielen dabei ebenso eine Rolle wie der Fellglanz und der Winterspeck. Forstwirt Alois Holdener (55) hält es dagegen mit dem Moosbewachs der Bäume und der Form der Tannenzapfen. Andere Propheten wie Steinbockjäger Karl Reichmuth setzen auf das Verhalten ihrer Beute und die Felldicke der Füchse. Der Sensenhändler und "Zahnarzt für Kühe" Martin Horat (66) schließlich, der bereits zehnmal zum Wetterkönig gekrönt wurde, untersucht Schneeschichten, Baumrinden, Gebüsch oder die Beinform der Ameisen. Bei krummen Beinen steht ein schöner Sommer ins Haus. Haben sie X-Beine, frage nicht.

Einer der beiden Wettermelder, der Schinner Peter, trägt die Erkenntnisse der Propheten dann jedenfalls hinauf auf den Berg zu all jenen Bauern, die es hören wollen. Wetter ist, wenn man trotzdem lacht. Nur vor einer Zeit im Jahr schrecken alle Wetterpropheten des Muotatals zurück und verweigern seit Jahrzehnten Prognosen. Hier ist sich die Runde ausnahmsweise einig. Zwischen dem 20. April und dem 1. Mai mache das Wetter nämlich, was es wolle. (Christian Schachinger/DER STANDARD/Rondo/09.07.2010)