Brüssel - In Belgien sollen bei umstrittenen Durchsuchungen kirchlicher Gebäuden Ende Juni auch vertrauliche Unterlagen zum Fall des Kinderschänders Marc Dutroux entdeckt worden sein, berichten  mehrere belgische Medien. Zu den beschlagnahmten Dokumenten sollen Fotos der Dutroux-Opfer Julie und Melissa und vertrauliche Berichte der Staatsanwaltschaft gehören. Der Fall Dutroux hat Belgien Ende der 1990er Jahre tief erschüttert. Dutroux hat mehrere Mädchen entführt, von denen vier während ihrer Gefangenschaft in seinem Haus qualvoll starben. Der Fall brachte die großen Probleme der Justiz und Polizei Belgiens ans Licht und löste eine Staatskrise aus.

Gräber verstorbener Erzbischöfe durchsucht

Bei der Kirchen-Razzia sollen zahlreiche Akten und Rechner konfisziert worden sein. Den versammelten Bischöfen und Kirchenvertretern wurden die Handys abgenommen. Zudem wurden auch Grabanlagen verstorbener Erzbischöfe in der Sint-Rombouts-Kathedrale in Mechelen aufgebrochen. Die Durchsuchung der Kardinals-Gräber wurde zwar heftig kritisiert, allerdings gab es konkrete Vorwürfe, berichtete die Zeitung "De Standaard".  Der ehemalige Erzbischof von Mechelen-Brüssel, Kardinal Godfried Danneels soll Dokumente zu Missbrauchsfällen in der Krypta der Kirche an einem geheimem Ort versteckt haben, erzählte die frühere Vorsitzende der Untersuchungskommission für Missbrauchsvorwürfe, Godelieve Halsberghe den Ermittlern. Papst Benedikt XVI. und die Spitze der Belgischen Bischofskonferenz äußerten sich "verwundert" über das Vorgehen. Die kirchliche Missbrauchskommission trat zurück, weil die Justiz die den Opfern zugesicherte Vertraulichkeit gebrochen habe. Belege dafür hätte die Durchsuchung der Kathedrale aber nicht erbracht.

Vertuschungsvorwürfe

Im Zuge der Kirchengebäude-Durchsuchungen wurde am Dienstag der ehemalige Erzbischof von Mechelen-Brüssel, Kardinal Godfried Danneels von der Staatsanwaltschaft als Zeuge verhört. Nach Angaben des Senders RTL-TVI soll es bei dem Verhör unter anderem um die Dutroux-Dokumente gegangen sein, aber auch um Vorwürfe unterlassener Hilfeleistung. Es gebe Hinweise, dass Missbrauchsvorwürfe mit seinem Wissen vertuscht worden seien. Wenn Danneels von Missbrauchsfällen gewusst hat, könnte ein Verfahren wegen unterlassener Hilfeleistung folgen.

Am Montag wurde bekannt, dass die belgische Generalstaatsanwaltschaft eine Prüfung des Vorgehens der Brüsseler Staatsanwaltschaft bei den Durchsuchungen eingeleitet hat. Laut Medienberichten sollen die zuständigen Justizbehörden noch in diesem Monat entscheiden, ob die Durchsuchungen vom 24. Juni am Sitz der Erzdiözese in Mechelen sowie bei der Missbrauchs-Untersuchungskommission in Löwen rechtmäßig waren.(APA)