In bayerischen Gaststätten darf also in Zukunft nicht mehr geraucht werden. Ohne jede Ausnahme. Die Bayern wollten es so - mit einer Mehrheit von, so liest man, 61 Prozent. Ein "deutliches Votum", meinen manche Medien, andere reden gar von einem "überwältigenden Sieg der Nichtraucher". Doch ist - sieht man genauer hin, als manche Medien das tun - das Votum gar nicht so deutlich. Nur 37,7 Prozent der Bayern haben abgestimmt, also haben sich nur knapp 23 Prozent der Wahlberechtigten für das totale Rauchverbot ausgesprochen. Aber ihr Wille wird nun Gesetz.

Eine bayerische Besonderheit macht das möglich. Mit nur 40.000 Stimmen konnte ein Volksentscheid erzwungen werden, dessen Ergebnis jetzt automatisch zum Gesetz wird - und zwar unabhängig von der Wahlbeteiligung. Man darf froh sein, dass in Bayern - zwar "Freistaat", aber doch nur ein deutsches Bundesland - auf diese Art nicht auch übers Strafrecht abgestimmt werden darf, sonst käme es z.B. nach ein paar besonders scheußlichen Morden leicht zu einer Wiedereinführung der Todesstrafe.

So sehr man die "direkte Demokratie" prinzipiell auch befürworten mag, so problematisch ist sie oft im Einzelfall. Meist setzt sich nämlich durch, wer das Problem auf ein paar emotionalisierende populistische Aussagen zu reduzieren versteht. "Dass der bayerische Volksentscheid von einer rechts-grünen Sekte, der Ökologisch Demokratischen Partei, durchgekämpft wurde, sollte zu denken geben", schreibt Michael Miersch in der Welt vom 5.7.10 und spricht von einem "gefährlichen Sieg der Minderheit".

Etikettenschwindel

Die militanten Nichtraucher agieren gern mit der Aussage, es sei wissenschaftlich eindeutig bewiesen, "Passivrauchen" sei lebensgefährlich. Dass das falsch ist, kann leicht bewiesen werden, weil etwa jene berühmte "Studie", der zufolge in Deutschland jährlich 3.301 (!) Menschen an den Folgen des "Passivrauchens" sterben, nicht einmal den minimalsten wissenschaftlichen Anforderungen entspricht, also das Papier nicht wert ist, auf dem sie gedruckt ist.

Das lässt sich gut argumentieren - aber nicht in drei oder fünf Minuten. Doch hat, was differenzierender Erörterung bedarf, in hysterisierten Auseinandersetzungen keine Chance gehört zu werden. Gehört werden nur die "terribles simplificateurs".

Der Kampf um das totale Rauchverbot in allen Lokalen wird unter der Überschrift "Nichtraucherschutz" geführt - und das ist simpler Etikettenschwindel. Der Nichtraucherschutz ist verwirklicht. Überall dort, wo Menschen, die Rauch nicht ausstehen können, sich aufhalten müssen, gilt längst ein Rauchverbot. Und das ist richtig so, aber mehr zu verlangen ist im Grunde eine Unverfrorenheit. Niemand hat das Recht zu verlangen, dass jeder Ort, den er aufsuchen will, exakt so zu sein hat, wie es das gern möchte.

Wer singende Menschen nicht ausstehen kann, soll nicht in die Oper gehen. Wer eine katholische Predigt hören will, soll nicht in die Synagoge gehen. Wer lärmempfindlich ist, soll nicht in eine Discothek gehen. Und wer rauchempfindlich ist, nicht in ein Raucherlokal. Es gibt jeweils Alternativen genug.

Dass es in der bayerischen Auseinandersetzung nicht wirklich um Nichtraucherschutz ging, zeigt sich allein schon daran: Nun ist das Rauchen auch in jenen "Raucherclubs" verboten, wo die Raucher ausdrücklich unter sich bleiben wollten.

Die Bayern haben entschieden. 23 Prozent wollen das totale Rauchverbot und kriegen es nun. Die anderen auch. Eine wunderbare Wirtshauskultur wird jetzt zerstört. Mit sozialen Folgen, die noch gar nicht abgeschätzt werden können. 23 Prozent wollten es so, und die anderen haben sich nicht nachdrücklich genug dagegen gewehrt.

Trittbrettfahrer

Die Zahlen sind von denen in Österreich übrigens gar nicht so verschieden: Im April hat eine Umfrage ergeben, dass nur 19 Prozent sich eine Verschärfung der derzeit hierzulande geltenden Regelungen wünschen. Doch nun möchten Trittbrettfahrer gern auf den bayerischen Zug aufspringen. BZÖ und Grüne möchten auch bei uns eine Volksabstimmung. Und sogar die FPÖ, deren Vilimsky bisher so wacker gegen Rauchverbote stritt, hat offenbar (wieder einmal) umgedacht: Die FPÖ-Gesundheitssprecherin Dagmar Belakowitsch-Jenewein ließ jedenfalls am 5. 7. in einer Aussendung wissen: "Ich hielte das [eine Volksabstimmung] auch für einen guten und einen richtigen Weg, weil dann vielleicht auch diese leidige Diskussion einmal zu Ende wäre - dieses ewige Hin und Her."

Doch keine Panik! Da möchte nur jemand ein bisschen an fremden Erfolgen mitnaschen. Noch ist es in Österreich nicht möglich, dass eine 20- oder 25-Prozent-Minderheit allen anderen ihren Willen aufzwingt. (Walter Wippersberg/DER STANDARD, Printausgabe, 7. Juli 2010)