Tamikrest aus Mali spielen am Wochenende gemeinsam mit der befreundeten Band Dirtmusic in Ebensee und Wien. Großartige Wüstenblues-Mantras mit westlichem Beigeschmack.

Foto: Hoanzl

Wien - Alle zehn Jahre schlägt Chris Eckman so richtig zu. Nicht dass er dazwischen untätig wäre, doch aufsehenerregende Produktionen gelingen ihm, scheint's, nur in großen Abständen. Anfang der 1990er pflegte er mit seiner Band The Walkabouts ausgerechnet beim rabiaten Grunge-Label Sub Pop US-amerikanische Traditionen und spielte beherzten Country-Rock. 1999 produzierte er für die norwegische Band Midnight Choir Amsterdam Stranded, eines der schönsten Balladenalben aller Tage. Nun produzierte er das Debüt von Tamikrest. Eine junge afrikanische Band, die der US-Amerikaner im Rahmen eines Festivals im Sahara-Staat Mali kennengelernt hatte.

Tamikrest gelten als Ziehsöhne der Formation Tinariwen, die seit dem Tod des Übervaters des afrikanischen Wüstenblues, Ali Farka Touré, zum kulturellen Aushängeschild des Landes geworden sind. Gegründet in den späten 1970ern, eroberten Tinariwen mit ihrer Mischung aus traditioneller Tuareg-Musik und westlichen Einflüssen in den Nullerjahren auch den Rest der Welt.

Tamikrest sind junge Tuareg. In ihren Liedern behandeln sie soziale und politische Themen. Rassismus, Korruption, politische Willkür. Ihre Mitglieder entstammen zwar eher privilegierten Schichten, verschließen sich aber nicht den Problemen ihres Volkes. Ousmane Ag Mossa, der Sänger und Gitarrist, formuliert dessen Träume und Hoffnungen. In hypnotisch-repetitiven Stücken, die wie Loops wirken, führt er in seiner Muttersprache Tamasheq unaufgeregt Beschwerde, pflegt ein behutsames Lamento. Eckman hat das Album aber nicht nur produziert, er brachte sein aktuelles eigenes Projekt Dirtmusic gleich behutsam mit ein. Dirtmusic besteht neben Eckman aus dem australischen Gitarristen Hugo Race, der auf eine Vergangenheit mit Nick Cave and the Bad Seeds zurückblickt sowie dem früheren Schlagzeuger der US-Zeitlupen- und Hypnose-Rocker Codeine, Chris Brokaw.

Deren neues Album BKO ist in enger Zusammenarbeit mit Tamikrest entstanden, gemeinsam sind sie auf Tournee, am Wochenende besuchen sie Österreich. Die Zusammenführung von afrikanischem Blues und dem, was nach dessen gewaltsamer Ausreise in der neuen Welt daraus geworden ist, zeichnet die Arbeiten aus.

Beide Bands spielen sehr reduziert bis minimalistisch. Mitunter erscheinen die Stücke von Tamikrest wie Blues-Mantras: sich vermeintlich höhepunktlos wiederholend, dabei setzt die vielköpfige Band vielmehr auf die tranceähnliche Wirkung ihrer Songs. Gespensterhaft durchschneidet hin und wieder ein Schrei die Atmosphäre, kleine Fingerübungen an der Gitarre sowie ein unbeirrbarer Beat, der Bilder des behäbigen Marsches eines Kamels durch Dürre und Hitze im Kopf erzeugt, besorgen den Rest.

Feingliedriger Blues

Ähnlich spartanisch arbeitete in den USA der verstorbene Blues-Musiker Junior Kimbrough. Zwei Akkorde reichten dem Mann meist schon, um seinen Daseinsschilderungen eine relativ vergleichslose Überzeugungskraft zu verleihen. Der Wüstenblues von Tamikrest ist da zwar feingliedriger, entwickelt aber eine ähnlich originäre Atmosphäre und einen verwegenen Groove dazu. Dieser begeistert nicht nur Freunde der sogenannten Weltmusik, die Querverbindung zu Eckman und Co lenkte die Aufmerksamkeit auch abseits des einschlägigen Publikums auf dieses außergewöhnliche Album. (Karl Fluch, DER STANDARD/Printausgabe, 07.07.2010)