Der 9. Wiener Gemeindebezirk, der Alsergrund, ist - so sagt man - ein gutbürgerliches Pflaster. Gründerzeithäuser, gediegene Lokale und alte Strukturen zwischen Uni, AKH und Volksoper. Sigmund Freud hatte hier in der Berggasse seine Praxis, unweit davon befindet sich das Palais Liechtenstein, das die fürstliche Kunstsammlung ausstellt. Neben den Wohnvierteln ist der Bezirk geprägt von den Universitäten und den beiden Bettentürmen des Allgemeinen Krankenhauses. Sowohl die Wirtschaftsuniversität als auch die Uni Wien haben große Teile ihrer Institute im Bezirk verteilt. Für die Zukunft sind weiter Bauprojekte geplant. Die Uni Wien wird sich auch an der Rossauer Lände ansiedeln.
Zwischen universitärem Chaos und Charme
Vergangenes Jahr ging es im Bezirk einigermaßen rund. Die Situation an Österreichs Hochschulen führten zu den Studentenprotesten des Herbst 2009. Vor allem rund um die Votivkirche fanden Demonstrationen und Besetzungen statt, im Hauptgebäude der Universität, welches im 1. Bezirk liegt, wurde das Audimax wochenlang besetzt. Auch ein Hörsaal am Uni-Campus im Alten AKH wurde im Herbst von den Studierenden besetzt, dort wo Biergärten und Universitätsinstitute einander abwechseln, eine kleine Oase inmitten des Bezirks.
Die Wirtschaftsuniversität wird der Bezirk jedoch in den nächsten Jahren verlieren. Im zweiten Bezirk entsteht ein neuer Campus, da das derzeitige Gebäude zu klein und sanierungsbedürftig ist. Mitten in der Stadt gilt es nun ein neues Konzept zu finden, denn auch das Gebäude des Franz-Josefs-Bahnhof ist von der Neuplanung betroffen. Die SPÖ-Bezirksvorsteherin will in einer Bürgerbefragung die Anrainer bei der Neuwidmung des Areals - immerhin acht Prozent der Bezirksfläche - mit einbeziehen, noch ist über eine Weiternutzung noch nicht entschieden.
Hoch- und Alternativkultur
39.422 Personen wohnten 2008 im Bezirk, 23,6 Prozent von ihnen hatten keinen österreichischen Pass. Drei Hauptstraßen durchziehen den Bezirk, die Alserstraße, die Währinger Straße und die Liechtensteinstraße. Nur wenig Meter von einander getrennt liegen die Volksoper und das Werkstätten- und Kulturhaus, besser bekannt als WUK. Doch auch das Schauspielhaus liegt im Bezirk nebst des Donaukanals. Etwas in Vergessenheit geraten ist ein Bahnhof, der einst Verbindungsstück zu weiten Teilen der Monarchie war, der Franz-Josefs-Bahnhof. Von hier aus fahren heute nur noch wenige Züge in Richtung Waldviertel und Tschechien ab, der Charme der 1950er Jahre ist in der kleinen Eingangshalle stecken geblieben. Das Verteidigungsministerium hat in der Rossauer Kaserne seinen Sitz, entlang des Donaukanals öffnet alljährlich die Summerstage die Türen für Außen- und Nachtmenschen.
Trotz all dieser Einrichtungen, der neunte Bezirk bleibt unentschlossen. Nicht hip genug für Wiens Bobos, nicht fein genug um rein bürgerlich zu sein, und zu teuer um als Wohnbezirk Karriere zu machen. Die Unis sind es, die den Bezirk lebendig machen.
Zwischen Schwarz, Grün und Rot
Politisch ist der Bezirk äußerst umkämpft. SPÖ, Grüne und ÖVP liegen nur knapp auseinander Zwar konnte die SPÖ mit 33,8 Prozentbei der Bezirksvertretungswahl 2005 die meisten Stimmen erzielen, die Grünen (29,4 Prozent) wurden jedoch mit nicht allzu großem Abstand zweitstärkste Kraft. Die ÖVP, die zwischenzeitlich immer mal wieder den Bezirksvorsteher stellte (zuletzt jedoch von 1978 bis 1991), kam auf 25,5 Prozent, die FPÖ lediglich auf 8,2 Prozent.
Deutlicher fiel das Ergebnis bei der Gemeinderatswahl aus, hier erzielte die SPÖ 36,1 Prozent der Stimmen, die Grünen kamen auf 26,1 Prozent der Stimmen und die ÖVP auf 25,3 Prozent. Bei den letzten Nationalratswahlen konnten jedoch die Grünen mit 27,2 Prozent der Stimmen die meisten Stimmen erzielen, die SPÖ rutschte ab und kam auf 24,5 Prozent, die ÖVP auf 23,1 Prozent, die FPÖ auf 10,9 Prozent. (Sebastian Pumberger, derStandard.at, 23.7.2010)