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Zur Person
Stjepan "Stipe" Mesić (75) war 2000 bis 2010 Präsident Kroatiens. Er löste den Autokraten Franjo Tudjman im Amt ab. Mesić studierte in Belgrad Jus und wurde Mitte der Sechzigerjahre Abgeordneter im jugoslawischen Parlament. Später wurde er wegen "konterrevolutionärer Umtriebe" verhaftet und verbrachte ein Jahr im Gefängnis. Danach arbeitete er als Anwalt in Staatsbetrieben. Im Jahr 1991 hätte er Präsident Jugoslawiens werden sollen, doch wenige Wochen später zerfiel der Staat. Der als linksliberal geltende Mesić wurde zu einer zentralen Figur des unabhängigen Kroatiens.

Foto: APA/Hochmuth

Warum Kroatien das Friedensprojekt Europa vervollständige und was er in seiner Zeit als kroatischer Präsident erreicht habe, erzählte Stjepan Mesić, der im Februar sein Amt aufgab, im Gespräch mit Marijana Miljković in Zagreb.

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STANDARD: Eine Biografie über Sie erschien kürzlich unter dem Titel "Zehn bessere Jahre" . Was waren die wichtigsten Momente während Ihres Mandats?

Mesić: Es war wichtig, dass ich geholfen habe, Kroatien aus seiner Isolation zu holen und Richtung EU hin zu orientieren, um die Bedingungen und Standards dieses elitärsten aller politisch-wirtschaftlichen Klubs zu erfüllen. Ich habe mich sehr dafür eingesetzt, dass sich Kroatien für die EU entscheidet, aus dem einfachen Grund, weil dies definitiv unsere Probleme löst. Wenn wir beitreten und der Südosten Europas in der EU ist, dann sind wir ein Kontinent, der den Krieg als politisches Mittel ausgeschlossen hat.

STANDARD: Am Anfang Ihres Mandats haben Sie die Befreiung vom Erbe der Ära Franjo Tudjmans propagiert (autokratischer Präsident Kroatiens nach der Wende, Anm.). Ist diese gelungen?

Mesić: Bis zu einem gewissen Grad. Etwa, indem kriminelle Vorgehen bei der Privatisierung nicht mehr verjähren. Ent-Tudjmanisierung hat auch geheißen, dass die Institutionen funktionieren. Bis zum Jahr 2000 war Kroatien kein Rechtsstaat. Viele Entscheidungen hingen vom Willen gewisser Leute ab, nicht von Gesetzen oder Institutionen. Auch die Armee haben wir entpolitisiert - darin waren wir sehr erfolgreich. Ich habe mich auch dafür eingesetzt, dass Kirche und Staat getrennt wurden. In öffentlichen Gebäuden dürfen keine religiösen Symbole angebracht sein. Natürlich haben mich meine Kritiker dafür angegriffen und gesagt, ich sei gegen Kreuze. Ich habe nichts gegen Kreuze, aber sie müssen an Orten sein, wo sie hingehören.

STANDARD: Wie beurteilen Sie die Arbeit der kroatischen Ministerpräsidentin Jadranka Kosor?

Mesić: Ich glaube, dass sie alle überrascht hat. Sie ist in die Position gekommen, als sie damit am wenigsten gerechnet hat, musste aber die ganze Verantwortung übernehmen. Ich glaube, sie hat sich gut zurechtgefunden. Sie ist europäisch orientiert, und sie verlangt, dass sich unsere Wirtschaft umorientiert, von einer ausschließlichen Importwirtschaft zu einer Exportwirtschaft. Es ist nicht leicht für sie und die Regierung, die Richtung zu ändern. Aber sie trifft mutige Entscheidungen. Wenn sie so weitermacht, wird sie eine erfolgreiche Ministerpräsidentin werden.

STANDARD: Sie haben kurz vor Ende ihrer Amtszeit den Kosovo besucht. Diese Reise hat zu Spannungen mit Serbien geführt.

Mesić: Ich würde nicht sagen, dass sie Auswirkungen auf das Verhältnis zwischen Kroatien und Serbien hatte. Wenn wir die Unabhängigkeit des Kosovo anerkennen, dann verhalten wir uns ihm gegenüber auch wie mit einem unabhängigen Staat. Jugoslawien bestand aus sechs Republiken und zwei unabhängigen Provinzen, Vojvodina und Kosovo. Das waren die konstitutiven Elemente der jugoslawischen Föderation.

Die Republiken sind unabhängig geworden, aber die Frage des Kosovo war nicht gelöst. Nach dem Genozid, den Milošević dort angerichtet hat, musste man den Status des Kosovo so schnell wie möglich feststellen. Serbien bot den Kosovaren "mehr als Autonomie, aber weniger als Selbstständigkeit" an. Sie haben aber nicht gesagt, was das genau bedeutet. Als die Serben dann kein weiteres Angebot machten und der Kosovo beschloss, unabhängig zu werden, entschieden wir uns, ihn anzuerkennen. Es ist darum logisch, dass wir auf höchster Ebene mit dem Kosovo kommunizieren. Unser Verhältnis zum Kosovo hat mit dem zu Serbien nichts zu tun. (DER STANDARD, Printausgabe, 2.7.2010)