Während Linux am klassischen Desktop noch immer eine - relative - Randerscheinung ist, ist das Open-Source-Betriebssystem aus der Welt der mobilen Endgeräte kaum mehr wegzudenken: Ob Android, WebOS oder auch die LiMo Plattform - alle beziehen sie zentrale Bestandteil aus der Linux-Welt. Zwei der viel versprechendsten Linux-basierten Plattformen der letzten Jahre (bzw. natürlich ihre Hersteller) haben dann vor einigen Monaten beschlossen, die eigenen Ressourcen zusammenzuwerfen und künftig gemeinsame Sache zu machen. Aus dem Smartphone-Betriebssystem Maemo (Nokia) und dem ursprünglich primär auf den Netbook-Bereich ausgerichteten Moblin (Intel) wird also MeeGo.

MeeGo!

Eine Kooperation, die Ende Mai erste Früchte zeitigte: Mit MeeGo 1.0 liefert man einen ersten Vorgeschmack auf die gemeinsame Plattform, wobei man sich allerdings zunächst einmal auf das Netbook-Umfeld konzentriert - also eigentlich die Fortsetzung von Intels Moblin betreibt. Dies hat einen einfachen Grund: Für Smartphones will man eine ganz neue "User Experience" kreieren, die sich vom Vorgänger Maemo sowohl in technischer als auch in Design-Hinsicht nachhaltig unterscheidet. So etwas braucht natürlich Zeit, also hat man hier MeeGo 1.1 als Ziel vorgegeben, seit kurzem gibt es aber zumindest eine erste Testversion oder etwas blumiger auch "MeeGo Handset Day 1 Developer Preview" genannt.

Rollenzuweisung

Kurz noch einmal zu den zentralen Akteuren: Der Großteil der Entwicklung passiert zwar unter den Fittichen von Intel und Nokia, da man aber daran interessiert ist, MeeGo als offene und betreiberunabhängige Plattform zu etablieren, hat man die Leitung offiziell an die Linux Foundation abgegeben. Neben den beiden Großen kommen substantielle Code-Beiträge vor allem von Novell, das an der Netbook-Edition eifrig mitarbeitet - und selbst darauf basierende Angebote schmiedet.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Vorab: Wer Interesse an MeeGo 1.0 zeigt, sollte sich bewusst sein, dass sich das Ganze als Referenzplattform versteht, und entsprechend gar nicht das Ziel hat eine vollständige Linux-Distribution mit breitem Hardwaresupport abzuliefern. Die Anpassung an die jeweiligen Komponenten will man schließlich den einzelnen Herstellern überlassen, die dann im besten Fall MeeGo gleich vorinstalliert mit ihren Geräte ausliefern. Die Download-Version von MeeGo beschränkt sich entsprechend auf ein recht enges Feld an unterstützter Hardware, neben Intel Atom- oder Core2-CPU sollte auch eine Intel-Grafikkarte vorhanden sein, will man das Ganze erfolgreich ausprobieren.

USB

Dem Ziel-Umfeld entsprechend gibt man sich gleich mal gar nicht mit CD-Images ab, statt dessen steht eine rund 800 MByte große Datei zum Download, die anschließend auf einen USB-Stick gespielt wird. Von diesem lässt sich dann entweder in ein Live-System booten, oder gleich eine Installation durchführen. Für das fixe Bannen des Systems auf die lokale Festplatte setzt man dann übrigens auf den von Fedora und Co. bekannten Anaconda-Installer, allerdings in einer etwas abgespeckten Version, was etwa dazu führte, dass er sich beim Test schon mal einem bestehenden Sysstem mit verschlüsselter Festplatte "verschluckt" hat. Auch die Verkleinerung von den unter Windows geläufigen NTFS-Partitionen will noch nicht so richtig. In Dateisystemfragen gibt sich MeeGo dafür zukunftsorientiert, das unter Linux als Next-Generation-Dateisystem vorgesehene Btrfs wird hier bereits von Haus aus eingesetzt, dessen fortgeschrittene Fähigkeiten - wie die Snapshot-Funktionen - nutzt man allerdings noch nicht.

Los geht's

Ein erster Boot offenbart dann zunächst einmal vor allem zwei Fakten: Einerseits, dass die Startgeschwindigkeit beeindruckend kurz ist, was aber auch nicht weiter verwundern darf, hatte doch Intel das aktuelle Rennen um die Verkürzung der Bootzeit von Linux-Systemen quasi begonnen. Zum Zweiten ist unübersehbar, dass die Netbook-Edition von MeeGo derzeit durch eine konsequente Weiterführung der User-Experience-Ansätze von Intels Moblin gekennzeichnet ist. Wer Letzteres schon einmal benutzt hat, der wird sich rasch in der nach dem Boot dargestellten "MyZone" zurechtfinden.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Allen anderen seien deren  Konzepte schnell noch mal erklärt: In der "MyZone" laufen die unterschiedlichsten Fäden der einzelnen Computeraktivitäten zusammen. Die zuletzt benutzten Dokumente und Webseiten werden hier ebenso dargestellt wie Status-Updates aus sozialen Netzwerken sowie die aktuell anstehenden Termine und Aufgaben, zudem finden sich hier Links auf häufig benutzte Programme. All dies optisch äußerst ansprechend umgesetzt, MeeGo 1.0 beseitigt hier noch die eine oder andere grafische Inkonsistenz, so dass es in dieser Hinsicht wenig zu meckern gibt.

Symbolhaft

Ein klassisches Startmenü gibt es hier nicht, die wichtigsten Aufgaben sind über mehr oder weniger aussagekräftige Symbole in einem am oberen Bildschirmrand angebrachten Panel zu erreichen. Von dort aus gibt es dann etwa gleich Zugriff auf die sogenannten Zones, die MeeGo-Interpretation des Konzepts "virtuelle Desktops".

Organisation ist das halbe Leben

Von Haus aus werden die Programme auf einer Oberfläche versammelt, wer will kann sich an dieser Stelle aber nicht nur einen Überblick über alle gerade geöffneten Fenster machen sondern auch neue "Zones" eröffnen, um so die Aktivitäten besser zu organisieren. Das Ganze lässt sich per Drag & Drop nach Belieben umsortieren, ein Unterschied zu klassischen Linux-Desktops: Ist eine Zone einmal "leer" wird sie auch gleich automatisch geschlossen.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Eine besondere Rolle kommt bei jedem Betriebssystem mit starker mobiler Note - wie es bei Netbooks unbestreitbar der Fall ist - dem Browser zu. Im Vergleich zu Moblin nimmt hier MeeGo 1.0 eine zentrale Änderung vor - und schraubt so auch gleich die eigenen Ambitionen in diesem Bereich ein Stück zurück. Kam beim Vorgängersystem noch ein eigenes Browser-Interface auf Basis der Mozilla-Rendering-Engine Gecko zum Einsatz, liefert man nun einen konventionellen Google Chrome bzw. Chromium - aus lizenzrechtlichen Gründen gibt es zwei Varianten von MeeGo, die sich an dem Unterschied in dieser Frage definieren.

Surfen

Prinzipiell gibt es allerdings an Chrome / Chromium für Linux ohnehin kaum mehr etwas zu meckern, einzig die grafische Integration mit dem restlichen System könnte etwas besser sein, so kommt es etwa teilweise zu Darstellungsproblemen bei den Navigationssymbolen. Vom eigenen Browser-Frontend ist zumindest der Eintrag im Top-Panel geblieben, wird auf die entsprechende Mini-Grafik geklickt, werden die zuletzt besuchten Seiten rasch eingeblendet, wer will kann hier auch gleich durch den Verlauf stöbern - und suchen.

Empathy

Über den People-Knopf stehen die Instant-Messaging-Fähigkeiten des Systems zur Verfügung, die eigenen Kontakte und aktuellen Konversation werden ebenfalls ansprechend zusammengefasst. Im Hintergrund werkelt dabei übrigens der vom GNOME-Desktop bekannte Empathy, der dafür sorgt, dass die Anbindung an alle großen IM-Services gegeben ist - von Jabber bis zum Facebook-Chat.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Überhaupt fällt auf, dass MeeGo 1.0 noch immer klar von Programmen und Technologien aus dem GTK+/GNOME-Umfeld dominiert ist, dies obwohl ja eigentlich bei der Vorstellung der Zusammenarbeit von Intel und Nokia das Qt-Framework, das auch die Basis des zweiten großen Linux-Desktops KDE bildet, als zentrale Lösung auserkoren wurde. Im Vergleich zu Moblin fügt MeeGo 1.0 sogar noch weitere GNOME-Anwendungen hinzu, darunter etwa die Mail/Kalender-Software Evolution.

Express

Diese ist hier in einer "Express"-Variante enthalten, was vor allem heißt, dass man das Interface von unnötigen Komplexitäten befreit hat - gerade für ein Umfeld mit typischerweise eher niedrigeren Bildschirmauflösungen eine weise Entscheidung. Auch gibt es ein einfaches Tool zum Einrichten neuer Mail-Kontos, etwas das auch der Desktop-Version der Software ganz gut zu Gesicht stehen würde. Auf die hier abgespeicherten Kalender- und Task-Informationen greift MeeGo dann an unterschiedlichsten Stellen des Systems zu, etwa in der schon erwähnten MyZone.

Look

Einen deutlichen Fortschritt gibt es übrigens bei der Gewandung der von GNOME übernommenen Anwendungen, ein neues GTK+-Theme sorgt dafür, dass sich entsprechende Programme nun wesentlich besser in den restlichen Desktop-Stil einfügen als bisher. All die grafischen Effekte und Animationen, mit denen MeeGo 1.0 angereichert ist, basieren hingegen auf der 3D-Bibliothek Clutter, die ja auch die Basis für die GNOME Shell bildet - und damit für die neue User Experience von GNOME 3.0. Dies kann insofern nicht sonderlich verwundern, da Clutter ja selbst eine Intel-Eigenentwicklung ist (bzw. das dahinter stehende Unternehmen vor ein paar Jahren übernommen wurde).

Screenshot: Andreas Proschofsky

Einen guten Überblick über die zentralen Hardwareinformationen gibt es in der Devices-Ansicht. Hier zeigt MeeGo nicht nur den aktuellen Akku-Ladestand an, sondern informiert auch darüber wieviel Plattenplatz noch frei ist und wie weit die Lautstärke aufgedreht ist.

Dateien

Zudem werden die wichtigsten Verzeichnisse bei den privaten Daten an dieser Stelle zum Schnellzugriff geboten, klickt man auf eines der entsprechenden Symbole wird der File-Manager Nautilus geöffnet. Dieser ist in der aktuellen Version 2.30 enthalten, was bedeutet, dass die NutzerInnen von allen aktuellen Verbesserungen wie der gesplitteten Ansicht, bei der zwei Verzeichnisse nebeneinander in einem Fenster dargestellt werden, profitieren können.

Extern

Nett gemacht ist die Integration externer Geräte, wird etwa ein Smartphone angehängt, wird dieses automatisch in der rechten Spalte angezeigt. Dabei informiert die Grafik nicht nur über den auf dem Gerät bereits in Anspruch genommenen Platz sondern bietet auch den Import von Medien-Dateien an. Ein Unterfangen, dass im Test allerdings rein theoretischer Natur bleiben musste, brach MeeGo den Vorgang doch mit einer Fehlermeldung ab.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Von der Devices-Ansicht führt zudem ein Link zu weiterführenden Einstellungen von MeeGo. Neben "Klassikern wie Uhrzeit und Sprachwahl, kann hier auch das Panel angepasst werden, so lassen sich etwa ein Clipboard und eine auf Google-Gadgets basierende Widgets-Ansicht hinzufügen. Die Einstellungs-Tools verwenden dabei übrigens bereits das Control-Center-Design des kommenden GNOME 3.0, bei dem die einzelnen Aufgaben nun in einem Tool zusammengeführt werden - bisher wurden hier immer unterschiedliche Fenster geöffnet.

Sozial

Einen eigenen Platz im Panel reserviert man bei MeeGo den eigenen Aktivitäten in diversen sozialen Netzwerken, wobei in der Grundausstattung der Begriff "divers" vielleicht etwas weit gegriffen ist. Neben der Möglichkeit die eigenen Hörgewohnheiten mit Last.FM zu teilen, lässt sich das Ganze vor allem als Twitter-Client nutzen.

Umsetzung

Dieser ist dafür durchaus gut gelungen, wer will kann die eigenen Tweets sogar mit einer Ortsangabe verknüpfen. Damit das auch alles ausreichend komfortabel vonstatten geht, greift die Software auf das Kartenmaterial von OpenStreetMaps zurück. Retweets und Antworten gehören ja ohnehin zur Standard-Ausstattung eines jeden Twitter-Clients.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Der zweite große Neuzugang bei der Softwareausstattung von MeeGo - im Vergleich zur letzten Moblin-Version - ist der Media-Player Banshee. Dieser hat für die MeeGo-Nutzung ein vollständig neues, Clutter-basiertes Interface verpasst bekommen, welches vor allem die Album-Covers in den Vordergrund stellt.

Ansichtssache

Wem das zu wenig Detail bietet, der kann aber auch auf eine klassischere Ansicht wechseln, von der aus dann weitere Funktionen - wie der Zugriff auf Online-Radios oder die bereits angeschnittene LastFM-Anbindung - zu erreichen sind. Musik von externen Geräten lässt sich von dieser Stelle aus bequem einbinden, die entsprechende Cover-Art wird ebenfalls selbsttätig besorgt.

Codec-Fragen

An dieser Stelle offenbart sich dann aber auch eine der zentralen Einschränkungen der offiziellen MeeGo-Release, wird diese doch ohne jegliche proprietären Codecs geliefert. Wer also etwa seine MP3-Sammlung hören will, muss schon manuell nachhelfen, dies ist auch deswegen mühsam, da MeeGo hier keinerlei hilfreiche Tools zur Bewältigung dieser Hürde zur Seite stellt. Immerhin lässt sich zumindest das MP3-Codec kostenlos über den Webshop von Fluendo nachrüsten.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Neben den bereits erwähnten Anwendungen liefert Meego 1.0 noch eine Reihe weiterer, kleinere Programme mit, allesamt aus dem GNOME-Universum bekannt. Vom Taschenrechner bis zum Bildanzeiger steht dies alles in einer eigenen Übersicht zur Auswahl. Zum schnellen Aufspüren bietet diese zudem eine Suchfunktion, wer will kann hier einzelne Programme mit einem Pin-Icon zum "Favoriten" erklären, wodurch diese auch auf der MyZone zum Start angeboten werden.

Garage

Einen speziellen Platz unter den Anwendungen nimmt die MeeGo Garage ein, dies da sie eigentlich dazu gedacht ist, weitere Anwendungen zu installieren, also so etwas wie die Anfänge eines eigenen App Stores darstellt. In der jetzigen Form gibt es hier allerdings noch nicht wirklich viel zu sehen, nur eine Handvoll von zusätzliche Programmen stehen zur Wahl, darunter immerhin die Bildbearbeitung GIMP.

Abwarten

Auch sonst wirkt das Tool noch mehr sehr heißer Nadel gestrickt, vor allem die optische Umsetzung hat - gerade im Vergleich zum restlichen System - noch einige Ecken und Kanten. Insofern heißt es in der Hinsicht derzeit wohl noch auf spätere Releases warten, um zu sehen wie sich die "Garage" (ob der Name so bleibt steht ebenfalls noch nicht fest) entwickeln wird.

Screenshot: Andreas Proschofsky

So sehr MeeGo 1.0 für Netbooks auch mit seinen frischen Ansätzen gefallen kann, wirklich empfehlenswert ist es derzeit wohl nur füre jene, die gern mit neuen Systemen experimentieren. Für EndnutzerInnen ist die auf der Projektseite zu findende Release im Vergleich zu anderen Netbook-Distros einfach etwas zu mühsam anzupassen, der Hardware-Support relativ rudimentär.

Angebot

Aber: Wie schon erwähnt ist es ja auch gar nicht das Ziel von MeeGo ein vollständiges System anzubieten, dies überlasst man lieber Drittherstellern. So hat etwa Novell bereits  ein eigenes SUSE MeeGo angekündigt, dies soll all jene Puzzlestückchen nachliefern, die man beim "Original"-MeeGo vermisst. So sollen dann die wichtigsten Codecs ebenso enthalten sein, wie Flash und die Integration mit weiteren Social Networks, beispielsweise Facebook. Auch OpenOffice.org wird in dieser Variante des Netbook-Systems hinzugefügt.

Bundle

Allerdings denkt auch Novell nicht an eine seperate Download- oder Kauf-Version der Software, zumindest nicht offiziell, soll SUSE MeeGo doch fix mit den Geräten diverser Hardwareanbieter ausgeliefert werden. Wie man beim Softwarehersteller versichert, hat man dafür bereits einige Partnerschaften geschlossen.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Abzuwarten bleibt, wie die weitere Zukunft der Netbook-Ausgabe von MeeGo aussehen wird, gibt es doch hier noch einige Unklarheiten / Unsicherheitsfaktoren. Denn während Nokia und Intel in einer ersten Ankündigung davon gesprochen haben, dass man sich auf das - im Besitz von Nokia stehende - Qt als zentrales Toolkit geeinigt hat, spielt dieses in der aktuellen Ausgabe von MeeGo 1.0 praktisch gar keine Rolle. Die gesamte User Experience ist hier rund um GTK+ und Clutter aufgebaut, dazu kommt noch eine Prise von Intels eigenem Schmalspur-Toolkit Mx - das aber selbst wieder Clutter als Unterbau benutzt.

Umbau?

Will man also mit der Qt-Basis ernst machen, müsste man die Netbook-Edition eigentlich von Grund auf völlig neu gestalten, dies nicht nur in Bezug auf die eigene Oberfläche, sondern auch was die Anwendungen betrifft - stammen diese doch allesamt aus dem GNOME-Umfeld. Durchaus interessant dabei also, dass im noch immer aktuellsten Diagramm der Plattformarchitektur von MeeGo Qt nur am Rande vorkommt - auch wenn sich dieses natürlich vor allem auf MeeGo 1.0 bezieht, zu MeeGo 1.1 gibt es allerdings noch kein Update der Aufteilung.

Parallel

Insofern ist es durchaus vorstellbar - und für die nähere Zukunft wohl am realistischsten - dass man einfach für Handhelds und für Netbooks zwei vollkommen unterschiedliche "User Experiences" anbietet, dies eben auch in Bezug auf die eingesetzten Toolkits. Für das Gros der NutzerInnen und der meisten EntwicklerInnen sind diese Fragen aber wohl ohnehin nebensächlich, wichtiger ist hier, dass man für die Erstellung von externen Programmen einen klaren Weg vorgibt. Und sollte hier mal ein vernünftiger App Store entstehen, wird hier die Antwort wohl klar Qt heißen.

Grafik: MeeGo

Nach den vorherigen Ausführungen, darf es nicht weiter verwundern, dass die erste "Handset User Experience Release" von MeeGo mit einem vollkommen anderen Interface ausgeliefert wird. Dieses basierte auf Qt 4.7, dazu kommt ein eigenes TouchUI-Framework, das - wie der Name schon verrät - für die richtige Interpretation der Fingereingaben zuständig ist.

Hardware

Zwar steht hier bereits eine erste Vorversion zum Download, derzeit ist diese in der Realität aber auf exakt ein Smartphone beschränkt: Nokias N900. Die ebenfalls unterstützten Intel-Developer-Phones sind in der weiteren Öffentlichkeit ja wohl eher selten zu finden.

Linux

Gerade im Vergleich mit anderen Smartphone-Systemen erfreut der relativ offene Zugang von MeeGo, parallel zur Freigabe der "Day 1"-Preview wurde entsprechend gleich der zugehörige Source-Code veröffentlicht. Ein entscheidender Unterschied zu Android ist zudem, dass MeeGo viele klassische Linux-Kompontenen zum Einsatz bringt, entsprechend auch deren Entwicklung von den Anstrengungen Intel und Nokias profitiert. Beim Google-System ist die Linux-Basis hingegen nur sehr rudimentär ausmachbar bzw. stark modifiziert.

Grafik: MeeGo

Dabei bemüht man sich auch um große Aktualität der Softwarekomponenten, so bildet etwa bereits eine Vorversion von Linux-Kernel 2.6.35 die Basis von MeeGo 1.1. Den Webbrowser gibt Fennec, die mobile Firefox-Variante, die Mozilla ja schon für den Vorgänger Maemo entwickelt hatte. Die restlichen Anwendungen scheinen weitgehend neuentwickelt worden zu sein, und orientieren sich vom Design her an sonst üblichem im Smartphone-Bereich  - und sind dabei auch rein äußerlich ein klarer Bruch mit Maemo.

Ausblick

Auch wenn hier die aktuelle Release erst ein Anfang ist - und noch einige Anwendungen fehlen - sehen die ersten Bilder und Videos von MeeGo 1.1 für Handsets doch schon mal recht vielversprechend aus. Schlussendlich wohl wichtiger als alle technischen Details ist ohnehin der Umstand, dass sich Nokia vor Kurzem endlich dazu durchreißen konnte, MeeGo als offizielle Marschrichtung für die eigenen Smartphone-Bemühungen auszugeben. Bis zuletzt hatte man sich ja an der Hoffnung festgeklammert, dass man doch noch ein konkurrenzfähiges System auf Symbian-Basis bauen könnte.

Markt

Eine Entscheidung, die durchwegs zu begrüssen ist, auch wenn sie reichlich spät kommt, hatten MarktbeobachterInnen doch schon seit Jahren immer wieder die Konzentration auf den MeeGo-Vorgänger Maemo geraten - und waren bei Nokia auf pure Realitätsverweigerung gestoßen.

Grafik: MeeGo

So wird es selbst mit der Marktmacht von Nokia und Intel schwierig für MeeGo werden, den Zeitsprung von Android und iPhone - aus dem nicht zuletzt ein breites Anwendungs-Portfolio resultiert - aufzuholen. Um so entscheidender wird es sein, EntwicklerInnen für das eigene System zu begeistern, aktuelle Umfragen sehen MeeGo momentan noch unter ferner liefen - was angesichts der begrenzten Verfügbarkeit des Systems allerdings nur wenig aussagekräftig ist.

Ellbogen

Freilich muss sich MeeGo nicht nur gegen Android und iPhone beweisen, auch Microsoft will ja künftig mit Windows Phone 7 wieder ein Stückchen mitreden - und die Redmonder sind alleine aufgrund ihrer Marktmacht nie ganz abzuschreiben, egal wie kritisch viele aktuelle Reaktionen auf das mobile Windows auch sein mögen. WebOS sollte ebenfalls nicht gänzlich vergessen werden, zumindest so lange es HP mit seiner Neuerwerbung wirklich ernst meint. Und dann gibt es da natürlich noch das Blackberry OS von RIM. Ein heiß umkämpfter Markt also, in dem sich MeeGo erst einmal behaupten muss, immerhin aber auch einer in dem es derzeit ein geradezu rasantes Wachstum gibt - und damit jede Menge Chancen. (Andreas Proschofsky, derStandard.at, 02.07.10)

Grafik: MeeGo