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Unterrichtsministerin Schmied sagte Karl "vollste Unterstützung" zu.

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Mit Geiern aus Karton und einer extra aufgeschütteten Wüste machten die Studierenden vor der Aula der Wissenschaften, wo der Bericht des Hochschuldialogs präsentiert wurde, auf die Einsparungen im Bildungsbereich aufmerksam.

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Wien - 130 Stunden haben die über 250 Teilnehmer des Hochschuldialogs in den vergangenen sechs Monaten über die Weiterentwicklung des tertiären Sektors diskutiert. Das Ergebnis ist ein 50 Seiten dünner Bericht, der am Mittwoch in der Aula der Wissenschaften präsentiert wurde. Auf den teilweise halbleeren Seiten finden sich 92 Empfehlungen für die Weiterentwicklung des Hochschulsektors, die nun an die Politik weitergegeben werden.

Zu den besonders viel diskutierten Streitpunkten, wie etwa den Zugangsbeschränkungen findet sich nur eine Fußnote, in der es heißt, dass "keine Konsensposition" formuliert werden konnte. Wissenschaftsministerin Beatrix Karl (ÖVP) sagte bei der Präsentation dazu, dass "keine gemeinsame Position in allen Bereichen" gefunden werden konnte - schließlich wäre das Ziel des Dialogs keine Gehirnwäsche bei allen Teilnehmern gewesen. 

Bildung in der Wüste

Dass besonders wichtige Teilnehmer, wie etwa die Universitätskonferenz (uniko), die ÖH sowie die Studierenden der Audimax-Bewegung den Hochschuldialog vorzeitig entlassen hatte, wurde während der ersten vierzig Minuten der Präsentation gar nicht erwähnt. Vor dem Start hatten Studierende bei einer Protestaktion vor der Aula Sand aufgeschüttet und auf die österreichische "Bildungswüste" aufmerksam gemacht. Die ÖVP-Bildungsminister Elisabeth Gehrer, Gio Hahn und Beatrix Karl wurden als Geier dargestellt in die Wüste gesteckt (siehe Ansichtssache). 

Erst bei ihrer anschließenden Rede zeigte sich Karl darüber enttäuscht, dass die Studierenden und die Rektoren nicht bis zum Ende am Dialog teilgenommen hatten. "Für mich ist die Wüste keine Alternative zum Dialog", sagte sie. Die ÖH solle lieber im Saal mitdiskutieren und nicht in der Wüste sitzen. Eine von Karl vor Ort ausgesprochene Einladung zum Dialog hatte ÖH-Chefin Sigrid Maurer zuvor abgelehnt. "Ein Scheindialog, der nur auf Empfehlungen hinausläuft, gleichzeitig die Aussage, dass die Unis noch weniger Geld bekommen und der Affront, am Verhandlungstisch zu sagen 'Wir verhandeln' und hinten rum Zugangsbeschränkungen einzuführen - das geht sich nicht aus", meinte Maurer zu Karl, die auf den bei der Aktion verteilten Gläsern mit "Bildungswüste" als "Beatrix Pröll. Bundesministerin fürs Kaputtsparen der Hochschulen" bezeichnet wurde. 

Einigung auf Studienplatzfinanzierung

"So nicht erwartbar" war für Hochschuldialog-Leiter Faulhammer, dass sich die Dialogteilnehmer deutlich für eine Studienplatzfinanzierung für die Unis ausgesprochen haben; diese wird von der Universitätenkonferenz bereits seit mehreren Jahren eingefordert. Auch eine bessere sozial Durchmischung am Hochschulsektor wünschen sich die Dialogteilnehmer. Karl kündigte in ihrer Rede an, ein Modell der "Affirmative Action", also Maßnahmen, die soziale Diskriminierung verhindern soll, auf seine Verfassungsmäßigkeit prüfen lassen zu wollen.

"Bologna Reloaded" soll Studienpläne verbessern

Im Herbst sollen im Rahmen des Projekts "Bologna Reloaded" außerdem Empfehlungen und Leitlinien für Studienpläne erstellt werden, die durch die Umstellung auf die Bologna-Architektur vielfach als überfrachtet gelten. Gemeinsam mit der ÖH will das Ministerium die Studienwahlberatung verbessern.
Studien sollen außerdem darüber Aufschluss geben, wie eine sinnvolle Studienplatzfinanzierung für die österreichischen Unis aussehen könnte und wie eine bessere soziale Durchmischung der Studenten erreicht werden kann. "Ganz oben auf der Agenda in den nächsten Jahren" stehe außerdem der Ausbau der Fachhochschulplätze.

Schmied forderte höhere Akademikerquote

Unterrichtsministerin Schmied sagte Karl "volle Unterstützung bei der Erreichung der Ziele des Dialogs vor. Sie forderte jedoch auch eine Erhöhung der Akademikerquote und mehr StudienanfängerInnen. Zustände, wie es sie auf der Wirtschaftsuni Wien in den ersten beiden Semestern gäbe, seien "Darwinismus pur". "So kann es nicht weitergehen", sagte Schmied. 

Bei einer Podiumsdiskussion nach der Diskussion diskutierten die Wissenschaftssprecher der fünf Parlamentsfraktionen den Endbericht gemeinsam mit der Wissenschaftsministerin und Unterrichtsministerin Schmied (SPÖ). Der FPÖ-Abgeordneter und Nationalratspräsident Graf kritisierte, dass viele der Empfehlungen keine Neuerungen brächten. Die Studienplatzfinanzierung, sowie das Ziel, zwei Prozent des BIP in den Bildungsbereich zu investieren, sei bereits im Regierungsabkommen gestanden und wegen Sparmaßnahmen wieder zurückgenommen wurden.
Wissenschaftssprecher Kurt Grünewald (Die Grünen) begrüßte am Podium die Empfehlungen des Dialogs, machte jedoch darauf aufmerksam, dass mit dem jetzigen Budget 90 Prozent nicht umgesetzt werden könnten.

Kritik: uniko attestiert Bericht Oberflächlichkeit und Trivialität
Der Präsident der Österreichischen Universtitätskonfernz (uniko), Hans Sünkel, hat in einer Aussendung erneute den Hochschuldialog kritisiert. "In den Empfehlungen werden vor allem Allgemeinplätze transportiert, in den für die Universitäten essenziellen Fragen, nämlich Universitätsfinanzierung und Hochschulzugang, zeichnen sich hingegen keine substanziellen Fortschritte ab. Gerade hier ist aber die Bundesregierung gefordert", erklärte er. Sünkel spricht von "Trivialbotschaften" des Berichtes und attestiert ihm Oberflächlichkeit.Er forderte einen Finanzierungsfahrplan für den Hochschulsektors ab 2010, Zugangsregelungen und einen gesamtösterreichischen Hochschulplan. Die Entscheidung der uniko, aus dem Hoschuldialog auszutreten, sei richtig gewesen, so Sünkel.

Industrie will Taten sehen

Die Industriellenvereinigung (IV) will nach dem Hochschuldialog auch Taten sehen. Stakeholder könnten zwar Anregungen und Vorschläge für hochschulpolitische Kernthemen geben, Lösungen seien jedoch von der Politik zu entscheiden und zu verantworten, betonte IV-Generalsekretär Markus Beyrer in einer Aussendung. Die Politik drücke sich "aber seit Jahren vor Entscheidungen, die die Diskrepanz zwischen begrenzten Ressourcen einerseits und Großteils offenem Zugang andererseits lösen können". 

92 Empfehlungen werden im Parlament diskutiert

Die 92 Empfehlungen sollen nun im Parlament diskutiert werden. Viele "kleine Punkte" könnten zudem relativ einfach im Rahmen der Leistungsvereinbarungen umgesetzt werden, so der Leiter des Hochschuldialoges. Zur besseren Koordinierung der Hochschulen sollen möglichst noch im Sommer Vorbereitungsgespräche mit den Spitzen der betroffenen Institutionen starten. (lis/APA, derStandard.at, 30.6.2010)