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Floribert Chebeya, hier auf einem Archivbild von 2005 in Brüssel, wurde Anfang Juni ermordet.

Foto: APA/EPA/Ansette

Kinshasa/Nairobi - Es soll die größte Geburtstagsparty werden, die Kinshasa je gesehen hat: 500.000 Menschen sollen am Mittwoch in einer Parade durch die Hauptstadt der Demokratischen Republik Kongo defilieren und den 50. Jahrestag der Unabhängigkeit begehen. UN-Chef Ban Ki-moon und Belgiens König Albert II. werden erwartet, um an der Seite von Präsident Joseph Kabila zu feiern. Doch längst nicht alle sind in Partystimmung.

"Die Feier symbolisiert für mich, was in einem halben Jahrhundert alles schiefgehen kann", sagt der Taxifahrer Alain Mobogeti. "Das ist kein Geburtstag, das ist eine Totenmesse."

Mehr als alles andere überschattet der Tod eines Mannes die Feierlichkeiten. Floribert Chebeya, einer der prominentesten Menschenrechtler und Regierungskritiker im Land, wurde am Samstag im Westen Kinshasas beigesetzt. Gut 4000 Trauernde begleiteten die Prozession. Der Tod Chebeyas ist politisch: Nicht wenige vermuten, dass der Staatsapparat den 47-jährigen Direktor der Menschenrechtsgruppe "Voix des Sans Voix" (Stimme der Ungehörten) auf dem Gewissen hat.

"Floribert ist bereits in der Vergangenheit von den Behörden drangsaliert worden", so die Afrika-Expertin von Amnesty International, Veronique Aubert. "Er hat mehrfach geklagt, dass er unter Beobachtung des Geheimdienstes stehe." Anfang Juni wurde Chebeya tot auf dem Rücksitz seines Autos gefunden, nachdem er eine Polizeiwache besucht hatte. In Kinshasa machen seit Wochen Verschwörungstheorien die Runde. Viele fühlen sich an den Mord an Patrice Lumumba 1961 erinnert, Kongos erstem Premier, wie Chebeya ein kompromissloser Anwalt der kleinen Leute.

Bis heute ist der Kongo - wie viele der sechzehn anderen Nationen, die 1960 unabhängig wurden - nicht auf die Beine gekommen. Manch einer spricht von der "chinesischen Krankheit", die unter Afrikas Regierenden grassiere. Wirtschaftliche Freiheit ohne Demokratie - für die Herrscher ist das verlockend. "Wer sagt, dass Ihre Demokratie auch für uns gut ist?", fragt Ruandas Präsident Paul Kagame, der sich im Herbst einer Wahl stellt. Oppositionskandidaten hat er ebenso eingesperrt wie Journalisten und andere Kritiker. Seine Maxime - erst Entwicklung, dann Demokratie - wird auch in Kinshasa vernommen, wo Kagame nach langer Eiszeit wieder ein gern gesehener Gast ist.

Kritik wie die des kongolesischen Oppositionellen Jean Lucien Bussa geht unter. "Wir brauchen einen Rechtsstaat, der nicht nur Menschenrechtler, sondern alle Kongolesen schützt." Doch 50 Jahre nach der Unabhängigkeit ist das nicht nur im Kongo kaum mehr als ein frommer Wunsch. (Marc Engelhardt/DER STANDARD, Printausgabe, 30.6.2010)