Hochhaus mit modularer Fassade: Doppelte Verglasung, Verschattungspaneele und integrierte Fotovoltaik sollen das Gebäudeklima regeln.

Visualisierung: Rhomberg

Hölzernes Hochhaus mit 20 Stockwerken? Technisch ist so ein Projekt möglich. Nun muss die Politik mitspielen (siehe dazu Artikel Hölzerner "Leuchtturm" mit 90 Meter Höhe).

(Visualisierungen: Rhomberg)

Visualisierung: Rhomberg

Holz kommt im Verbund in die Stadt. Im Rahmen des Bregenzer Symposiums "Urbanes Bauen mit Holz" wurde über die neuen Möglichkeiten urbaner Holzarchitektur nachgedacht. Die ersten Projekte sind bereits in Bau.

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Bregenz - Aus der Plaza de la Encarnación in der Altstadt von Sevilla wachsen Riesenpilze. Sie sind 28 Meter hoch und größtenteils aus Holz. "Metropol Parasol", die Neugestaltung des Platzes durch den deutschen Architekten Jürgen Mayer H., bringt den nachwachsenden Rohstoff in die Stadt. Die Schirme sind multifunktional: Sie überdachen archäologische Ausgrabungen, sind Markthalle, Aussichtsplattform sowie Hülle für Restaurants und Geschäfte. Im französischen Metz wiederum spannte der Japaner Shigeru Ban ein hölzernes Flechtwerk über das neue Centre Pompidou 2.

Nachdem der Begriff Nachhaltigkeit langsam verstanden werde, tauche der Baustoff Holz endlich auch in den Städten auf, begründete Carsten Hein, Tragwerksplaner vom Holzbau-Kompetenzteam Arup, im Rahmen des Bregenzer Symposium "Urbanes Bauen mit Holz" den neuen Trend.

Comeback des Holzes

Das Netzwerk "Vorarlberger Holzbau Kunst" hatte vergangene Woche zum Nachdenken über das Bauen mit Holz im städtischen Raum eingeladen. Das Motto "Nicht in den Himmel wachsen, aber auch nicht brav am Boden bleiben" wurde nicht zufällig gewählt. Hintergrund: In Vorarlberg wird intensiv am Projekt Life-Cycle-Tower, einem ressourcensparenden Holzhochhaus, geforscht. Standort für den Pilotturm könnte, wenn die Politik mitspielt, Bregenz sein.

Nach vielen Jahren, in denen Beton die langweilige Hauptrolle im Baugeschäft gespielt habe, meinte der deutsche Umwelt-Doyen Friedrich Schmidt-Bleek, hätte Holz nun gute Aussichten auf ein Comeback. Die ökologischen Argumente des Gründers des Faktor-10-Instituts: Holz gehöre unter den wichtigen Baumaterialien zu den wenigen natürlichen Ressourcen, die - gemessen an der Lebenserwartung des Menschen - erneuerbar sind. Der ökologische Rucksack von Holz als Baumaterial sei von Natur aus gering und richte sich im Einzelfall nach den technischen Maßnahmen.

CO2-Speicher für 200 Jahre

Hermann Blumer, Schweizer Holzbau-Unternehmer (Création Holz), der für die Dachkonstruktion des Centre Pompidou in Metz verantwortlich zeichnet, lieferte eine launige Erklärung für die Notwendigkeit des urbanen Holzbaus: 2050 würden 70 Prozent der Menschheit in Städten leben, sagte Blumer, "und dann haben wir auf dem Land zu wenige Menschen für unsere Holzbauten". Der Holzexperte plädierte für die städtische Reinkarnation der Bäume: "In der Stadt fungiert das Holz in seinem zweiten Leben für mindestens 200 Jahre als CO2-Speicher."

Bei umsichtigem Umgang stehe Holz den Menschen für unendliche Zeiträume zur Verfügung. Blumers Forderung: "Beton und Stahl dürfen für Hochbauten in der Stadt nur noch im Verbund mit Holz verbaut werden."

Ein aktuelles Beispiel für Hybridkonstruktionen, bei denen unterschiedliche Materialien miteinander verbunden werden, ist die Platzüberdachung in Sevilla. Die Holzparasole wurden mit dem Kunstharz Polyurethan beschichtet. "Uns muss die Hybrid-Euphorie packen", forderte Blumer von seinen Kollegen. Umdenken müsse aber auch die Politik, war man sich beim Symposium einig. Es bedürfe neuer, europaweiter Bauordnungen und Nachhaltigkeitskriterien. (Jutta Berger, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 26./27.6.2010)