Bild nicht mehr verfügbar.

Ein Polizist vor dem Gebäude der Erzdiözese Mechelen in Brüssel. Der Papst hat das Vorgehen der Justiz von Donnerstag scharf kritisiert und als "beklagenswert" bezeichnet.

Foto: AP/Mayo

Bozen/Brüssel - Der Vorsitzende der belgischen kirchlichen Missbrauchskommission, der renommierte Kinderpsychiater Peter Adriaenssens, ist am Montag aus Protest gegen das Vorgehen der Brüsseler Justiz gegen ihn und die belgischen Bischöfe zurückgetreten. Die Brüsseler Staatsanwaltschaft hatte am Donnerstag im Zuge von Ermittlungen in Missbrauchsfällen laut Kathpress die in der belgischen Hauptstadt versammelten Bischöfe für neun Stunden festgesetzt. In Leuven soll die Justiz zur gleichen Zeit Adriaenssens Computer und Stöße von Unterlagen beschlagnahmt haben. Auch in das Haus des Brüsseler Alterzbischofs Kardinal Godfried Danneels war demnach die Polizei eingedrungen.

"Akt des Misstrauens"

Adriaenssens bezeichnete das Vorgehen gegen ihn als "eklatanten Akt des Misstrauens". Unter diesen Umständen sei eine Fortsetzung seiner Arbeit weder sinnvoll noch möglich. Der Psychiater sprach von einem Verrat des Vertrauens von 500 Missbrauchsopfern, die sich in den vergangenen zwei Monaten gemeldet hätten.

Im Zuge der Aktionen in Brüssel wurden Handys, dutzende PCs und vertrauliche Unterlagen beschlagnahmt. Auch die Gräber von zwei Kardinälen wurden aufgebrochen - offenbar in der Erwartung, darin fänden sich belastende Beweise. Die Vorgangsweise wurde von Papst Benedikt XVI., bei dem am Montag der Wiener Erzbischof Christoph Kardinal Schönborn zu Besuch war (siehe unten), im Rahmen von dessen Angelus-Ansprache am Sonntag scharf kritisiert. Er nannte das Vorgehen der Justiz "verwunderlich" und "beklagenswert". In einer Botschaft an den Brüsseler Erzbischof Andre-Joseph Leonard bezeichnete der Pontifex die Untersuchungen in der Kathedrale von Mechelen als "traurigen Moment" und bekundete den Bischöfen seine Solidarität.

In einer Vatikan-Stellungnahme heißt es, die Kirche verurteile den Missbrauch von Minderjährigen durch Kirchenmitarbeiter aufs Schärfste und sei bei der Aufklärung zur Zusammenarbeit mit der staatlichen Justiz bereit. Die Form der Untersuchung und insbesondere die Zerstörung von Gräbern betrachte man jedoch als schwerwiegend. Der belgische Vatikanbotschafter war am gleichen Tag in den Vatikan einbestellt worden. Es ist nicht die erste diplomatische Verstimmung zwischen dem Vatikan und Belgien: Im Frühling 2009 hatte sich der Heilige Stuhl in scharfer Form gegen die Kritik der belgischen Regierung an Äußerungen von Papst Benedikt XVI. über Kondome gewandt.

Am Montag wurde auch bekannt, dass im Zuge des Missbrauchsskandals in Südtirol in der Diözese Bozen-Brixen ein Priester sein Amt zurücklegen musste. Die ihm vorgeworfenen Fälle liegen mehr als 20 Jahre zurück. (APA, KAP, spri/DER STANDARD-Printausgabe, 29.6.2010)