Es war eine Geschichte des gegenseitigen Über-den-Tisch-Ziehens, bei dem die Reibungshitze für eine heftige Erwärmung des Koalitionsklimas gesorgt hat. In den Fragen von Mindestsicherung und Transparenzdatenbank, die von der ÖVP aneinandergekoppelt wurden, gab es von beiden Seiten jede Menge Klassenkampf und Klientelpolitik: Gerechtigkeit fordern die einen, Leistung die anderen.

Jetzt könnte es beides geben. Die Koalitionspartner einigten sich am Montag mit jeder Menge Theaterdonner auf die letzten Details der Transparenzdatenbank, damit kann auch die Mindestsicherung in Kraft treten. Immerhin: ein Meilensteinchen.

Die Mindestsicherung fasst die unterschiedlichen Sozialhilfen zusammen, die bisher von den Bundesländern auch unterschiedlich hoch ausbezahlt wurden. Es ist kein arbeitsloses Grundeinkommen, die Bedingungen für den Bezug der Grundsicherung sind tendenziell sogar noch strenger. Arbeitswilligkeit wird vorausgesetzt und muss unter Beweis gestellt werden. In der Armutsbekämpfung ist die Mindestsicherung aber ein ganz entscheidendes Instrument.

Die Transparenzdatenbank kann ebenfalls als entscheidendes Instrument angesehen werden - weniger um ganz konkret Missbrauchsfälle zu bekämpfen, das wird nur selten vorkommen. Wichtiger wird diese Datenbank, sollte sie tatsächlich einmal von allen Stellen, also von Bund, Ländern und Gemeinden gefüttert werden, als ein Analyseinstrument für die Politik sein: Wo wird möglicherweise zu viel ausgeschüttet, wo rechnet sich Arbeit nicht mehr, wo geht sich die Gegenrechnung von Steuerleistung und Sozialleistung nicht mehr aus.

Das war und ist der Grundverdacht der ÖVP, der Vizekanzler Josef Pröll dazu veranlasst hat, eine solche Datenbank - ursprünglich: Transferkonto - zu fordern: Leistung lohnt sich nicht. Und die Skepsis gegenüber der Mindestsicherung (744 Euro im Monat) geht auf die Annahme zurück, dass Empfänger von Sozialleistungen auf eigenes Betreiben hin arm sind und man jene schützen muss, die mehr haben, weil die mit ihrer (Steuer-)Leistung die da unten mitfinanzieren. Deshalb wurden Mindestsicherung und Transferkonto von der ÖVP junktimiert. Die SPÖ ließ es sich gefallen.

In der Folge waren SPÖ und ÖVP mit voller Wucht aufeinandergeprallt. Für den Beobachter lässt sich anhand dieser Frage gut nachprüfen, bei welcher Partei er sich zu Hause fühlt. Der SPÖ geht es darum, die Armen und die soziale Unterschicht geordnet zu versorgen. Das ist das Gerechtigkeitsthema. Jene, die haben, geben für jene, die nicht haben. Man könnte auch böse sagen: Der SPÖ geht es darum, Armut und soziale Bedürftigkeit zu verwalten. Wir finanzieren eine soziale Hängematte, ist ja nicht unser Geld.

Der ÖVP geht es darum, dass Arbeit auch etwas wert sein muss, dass sich Engagement lohnen muss. Das ist das Leistungsthema. Es ist in Ordnung, ein bisschen was zu geben, aber man darf dabei nicht ausgenommen werden. Böse gesagt: Wenn die da unten arm bleiben, bleibt uns mehr. Die Mittelschicht und die Reichen grenzen sich von den Minderleistern klar ab.

Dass es jetzt einen Kompromiss gibt, kann als Leistungsbeweis von Rot-Schwarz angesehen werden. Im Idealfall finden sich die positiven Zugänge beider Parteien im Ergebnis wieder. Wäre die Koalition in dieser Frage gescheitert, sie hätte ihre Daseinsberechtigung verspielt. (Michael Völker, DER STANDARD, Printausgabe, 29.6.2010)