Es spricht einiges dafür, den Fußballschiedsrichtern modernes technisches Rüstzeug - Videoaufnahmen etwa - an die Hand zu geben. Aber viel, sehr viel, spricht auch dagegen. Nicht nur, dass es absurd ist, dem Fernsehen tatsächlich die absolute Deutungshoheit über die Wirklichkeit zusprechen zu wollen. Gerade im Fußball. Zu sehr hat man da jene Szenen im Kopf, die selbst bei der x-ten Zeitlupeneinspielung selbst von mehreren Experten nicht „aufzulösen" sind.
Ja, stimmt schon:_Bei großen Turnieren mit zig Kameras wird das nicht passieren. Aber genau das ist ja auch das schlagendste Argument dagegen. Weltweit lebt der Fußball - im Gegensatz zu vielen anderen Sportarten - schließlich davon, dass er überall nach exakt denselben Regeln gespielt wird. Jede noch so kleine Dorfmannschaft kann sich - theoretisch - fürs Europacupfinale qualifizieren. Wer diese Durchlässigkeit infrage stellt, redet im Grunde einer abgeschotteten Profiwelt das Wort, in der es weder Auf- noch Abstieg gibt. Nur dann wären Fragen wie die nach dem Videobeweis wirklich fundamental. Denn dann - wie ansatzweise schon in der europäischen Champions League - „geht" es ja „um was".
Freilich nicht um Fußball. Der ist nämlich - den Ist-Zustand wie ein Satiriker hämisch kommentierend - nichts weiter als ein Spiel, in dem der Schiedsrichter halt - no na - „part of the game" ist. Wer aber den Spielcharakter mit beckmessernder Ernsthaftigkeit beschneiden will, bringt den Fußball um sein Faszinosum. Und damit um. (Wolfgang Weisgram, DER STANDARD, Printausgabe, Dienstag, 29. Juni 2010)