Auf politische Lösungen zu warten bringe nichts, sagt eine Initiatorin. 

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Wien - Ein Kind bekommt in der U-Bahn eine Ohrfeige. Eine Familie wird nach Jahren in Österreich abgeschoben, Mitbürger im Ort zucken mit den Schülern. Ein Politiker hetzt gegen Ausländer. Manchmal steht in solchen Situationen jemand auf und zeigt Zivilcourage. Oft auch nicht. Die Mitglieder des Vereins Respekt.net wollen diesen Zustand nicht länger hinnehmen.

Morgen, Dienstagabend, geht das Herzstück des Vereins online: eine Projektbörse. Dort sollen vorrangig Einzelpersonen oder lose Gruppen, aber auch Vereine ihre Ideen zur Stärkung der Zivilgesellschaft online stellen können. Und Leute, die darin investieren wollen, werden das per Mausklick tun können.

In der Probephase, in der die Plattform über Mundpropaganda bekannt gemacht wurde, haben sich schon mehrere Investoren mit Summen in der Höhe zwischen zehn und 5000 Euro eingebracht. Unter den Initiativen ist etwa ein Projekt namens "Frisch gekocht für Obdachlose", bei dem Wiener Berufsschüler in der Obdachloseneinrichtung "Gruft" kochen. Oder ein Comic für junge Europäer zum Thema "Personenbezogene Daten".

"Auf eine politische Lösung zu warten bringt nichts", sagt Maria Baumgartner, eine der Respekt.net-Gründerinnen. "Man muss sich selbst ums gesellschaftspolitische Bewusstsein kümmern", sagt sie. Der Verein vertritt die These: "Eine starke Zivilgesellschaft ist weniger anfällig für autoritäre Sprüche und menschenverachtende Hetze." 35 Privatpersonen sind bisher im Verein tätig, sie finanzieren das Vorhaben vorerst für drei Jahre. Unter ihnen finden sich Unternehmer, Berater, Freiberufler und der Lobbyist Dietmar Ecker. "Aber alle als Privatpersonen", betont Baumgartner.

Transparenz und Prüfung 

Auf der Respekt.net-Website wird auf den Euro genau aufgelistet, wohin wie viel Geld geht. "Transparenz ist uns sehr wichtig", sagt Baumgartner. Zudem gehe nicht jedes Projekt online, zuerst müsse ein Vereinsgremium die Einreichungen inhaltlich und formal prüfen.

Auch Daniel Binders Projekt "Teaching the Shoah in the 21st Century" hat bereits einen Investor gefunden: Der freischaffende Filmemacher will aufgezeichnete Interviews mit Wiener Holocaust-Überlebenden für Schulen aufbereiten. Ihm schwebt "eine Art Toolkit vor, zum Beispiel mit Videoausschnitten, aus denen man optimalerweise nach Stichworten auswählen kann", sagt Binder. Die Idee, die er "seit Jahren schon" mit sich herumtrage, hat der Politikwissenschafter bereits in der Probephase der Plattform bei Respekt.net eingereicht.

Werner Zahnt, 35-jähriger Partner einer Unternehmensberatung, hat sie auf Anhieb gefallen. Er will dafür Geld zur Verfügung stellen. Das Problem, dass die Überlebenden nicht mehr lange zur Verfügung stünden, dränge, meint er. Binder hat 9900 Euro samt Reisekosten für die Recherche veranschlagt. Die ganze Summe wird Zahnt nicht begleichen. Wenn das Projekt einmal online ist, sollen sich auch andere Geber finden. (Gudrun Springer, DER STANDARD - Printausgabe, 28. Juni 2010)