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Lange blieb die Großdemo in Toronto friedlich, ...

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... zum Schluss sorgten aber rund 100 gewaltbereite Demonstranten für Krawalle. Die kanadische Polizei nahm 500 Personen fest (siehe dazu auch Artikel).

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Italiens Premier Silvio Berlusconi, US-Präsident Barack Obama und Frankreichs Nicolas Sarkozy bekamen vom Radau in der Stadt wenig mit.

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Bei der Bankenabgabe und der Besteuerung von Finanztransaktionen gab es keine Annäherung. Aber die G-20-Staaten sind sich auf ihrem Gipfel in Toronto immerhin beim Thema Schuldenabbau nähergekommen.

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Angela Merkel muss improvisieren. Eigentlich sollte es im noblen York Club stattfinden, das Hintergrundgespräch mit Journalisten. Aber dann riegeln Uniformierte das Finanzviertel Torontos komplett ab, sodass kein Durchkommen möglich ist.

Einige wenige Gewaltbereite haben sich abgesetzt von einem friedlichen Protestzug. Und die deutsche Kanzlerin lässt den Pressepulk statt in den altehrwürdigen Club an den Tagungsort lotsen, in eine festungsgleiche Kongresshalle am Ontariosee. Es wird eine Fahrt durch eine Geisterstadt, von einem Checkpoint zum nächsten. Oben leuchtet die Aussichtsplattform des CN Towers, unten bewachen schwer bewaffnete Einsatzkräfte, insgesamt 20.000 Mann, eine von Metallzäunen begrenzte Schneise, als ginge es um einen Brückenkopf in einem Krieg.

Versöhnlicher Obama

Bereits zum Auftakt des G-20-Gipfels musste Merkel umdisponieren. Die deutsche Kanzlerin musste eine Stunde warten, bevor sie überhaupt nach Toronto fliegen konnte. Wenn Obama unterwegs ist, darf kein anderes Fluggerät in der Nähe sein. Die Verzögerung nervt, doch in der Debatte fühlt sie sich als Siegerin.

Denn Obama, der vor Konferenzbeginn dramatisch vor zu kräftigem, zu frühem Sparen gewarnt hatte, vor einem überhasteten Abbau von Defiziten auf Kosten der noch brüchigen Konjunktur, wechselt die Tonlage, ganz auf Versöhnung bedacht. Es sei wichtig, die Staatsschulden nicht ausufern zu lassen, sagt er. Er verstehe, fügt er hinzu, dass es kulturelle Unterschiede gebe zwischen Europäern und Amerikanern.

Und so gelingt am Gipfel die kleine Überraschung: Die G-20 vereinbaren recht ehrgeizige Vorgaben zum Schuldenabbau. Die entwickelten Industriestaaten sollen bis 2013 ihre Haushaltsdefizite halbieren und bis 2016 Etats ganz ohne neue Schulden aufstellen. Diese klare Vorgabe wurde in der Abschlusserklärung festgeschrieben, wie Bundeskanzlerin Angela Merkel am Sonntag kurz vor Ende des Gipfeltreffens in Toronto betonte. Diese Exitstrategie aus den schuldenfinanzierten Konjunkturprogrammen sei "sehr anspruchsvoll und für viele sicher eine große Aufgabe".

"Wir bewegen uns auf dasselbe Ziel zu - nämlich langfristiges, nachhaltiges Wachstum", sagt Obama in Toronto.

Schulden halbieren

Merkel äußerte sich daraufhin zufrieden, dass die großen Wirtschaftsnationen nun wie Deutschland allesamt auf Sparkurs gehen wollen. "Wir gehen weg von den Konjunkturprogrammen, bei denen wir ja mehr Schulden gemacht haben, und halbieren als Industrieländer bis 2013 unsere neuen Schulden." Dass die Industriestaaten dieses Ziel akzeptiert hätten, sei ein Erfolg des G-20-Gipfels.

Freilich bedeutet die Erklärung von Toronto für die europäischen Staaten recht wenig. Denn in der Union laufen ohnehin Stabilitätsprogramme an; und in denen wurden konkrete Defizitziele festgeschrieben. Und auch in den USA gibt es seit längerem grundsätzliche Bereitschaft zu sparen - die Frage war stets nur ab wann und wie stark.

Über die Ziele hinausgehende Verpflichtungen gibt es auch nicht, der nationale Spielraum bei der Haushaltskonsolidierung wird nicht eingeengt. Man erkenne an, heißt es in der Abschlusserklärung des Gipfels, dass die wirtschaftliche Erholung je nach Land und Region in unterschiedlichem Tempo voranschreite. "Es besteht das Risiko, dass sich eine synchronisierte Anpassung der Finanzen in den wichtigsten Volkswirtschaften negativ auf die Erholung auswirkt." Gleichzeitig dürfe eine notwendige Konsolidierung aber nicht versäumt werden, weil dies das Vertrauen störe und das Wachstum behindere.

Widerstand gegen Bankeabgabe

Eine Annäherung bei der Frage der Bankenabgabe und der Finanztransaktionssteuer gibt es nicht. Kanada, Australien und Schwellenländer wie Brasilien und Indien wehren sich gegen eine Bankenabgabe. Gegen eine Steuer auf Finanzmarkttransaktionen ist auch das Weiße Haus. Deutsche und Franzosen drängen, dass sie nun zumindest in der EU eingeführt wird. "Wir haben hier leider weder bei der Bankenabgabe unter allen G-20-Staaten eine einheitliche Meinung, noch bei der Finanztransaktionssteuer", sagte Merkel in Toronto knapp.

Einig sei man sich immerhin, dass nicht vor allem der Steuerzahler die Kosten der Krisen finanzieren sollte. Europa sei nun frei, für sich eigene Lösungen zu finden. Auf den Novembergipfel in Seoul, Südkorea, verschoben wird die Frage über Abwickelung von Großbanken.

Eine Einigung gab es immerhin bei der Liberalisierung des Welthandels: Die G-20 haben ihr bisheriges Ziel, bei der sogenannten Doha-Runde noch in diesem Jahr ein Freihandelsabkommen zu erreichen, aufgegeben. Eine lobende Erwähnung der Abwertung der chinesischen Währung Yuan wurde im letzten Augenblick aus dem Schlussdokument offenbar gestrichen. (Frank Herrmann aus Toronto, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 28.6.2010)