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Foto: AP/Michael Probst

Auszüge aus dem Gespräch mit Gundi Wentner, Partnerin Deloitte Human Capital

Schule sollte Kindern unabhängig von ihrer sozialen oder ethnischen Herkunft zunächst diejenigen Grundfähigkeiten vermitteln, die sie in weiterer Folge dazu ermächtigen, einen Beruf zu erlernen, und über Bildung und Arbeit Zugang zu Gesellschaft, Kultur und Politik zu haben. Neben der technischen Wissensvermittlung im Bereich der Pflichtschule sehe ich eine Hauptaufgabe in der Motivation der Kinder zum Lernen sowie darin, ihre Neugier zu wecken und ihr natürliches Interesse zu verstärken. Dabei sollte die Schule insbesondere auf die unterschiedlichen Ausgangsvoraussetzungen Rücksicht nehmen und Kinder sehr individuell fördern und bestärken. Ich sehe darin auch die größten Defizite, die teilweise system-, teilweise ausbildungsbedingt sind. Es existiert derzeit de facto ein Numerus clausus für den Besuch des Gymnasiums, wodurch die zukünftige Bildungs- und damit aber auch Berufslaufbahn in einem Alter entschieden wird, in dem das gar nicht möglich ist. Gleichzeitig erhalten Schülerinnen und Schüler auch an den höheren Schulen viel zu wenig die Möglichkeit, ihre individuellen Stärken kennenzulernen und damit eine gute Auswahl in Bezug auf Berufsausbildung bzw. Studium zu treffen.

Ein anderes massives Problem ist das fehlende Ganztagsschulangebot. In einer echten Ganztagsschule können Lernen, Freizeit, Sport und künstlerische Betätigung in einem sinnvollen Tagesablauf so gestaltet werden, dass alle Kinder die Möglichkeit haben, Lernziele zu erreichen, individuell gefördert zu werden und gleichzeitig auch soziale Kompetenzen in der Gruppe zu erwerben – unabhängig davon, ob Eltern am Nachmittag zur Verfügung stehen.

Bildung ist kein Selbstzweck, sondern die Voraussetzung dafür, einen Beruf zu erlernen, der den eigenen Stärken und Interessen entspricht, der ein wirtschaftlich autonomes und inhaltlich befriedigendes Leben ermöglicht. Menschen, die diese Möglichkeit nicht haben, nehmen über kurz oder lang weder wirtschaftlich noch politisch an der Gesellschaft teil.

Es ist ganz klar, dass wir in einer Wissensgesellschaft leben: Alle Statistiken zeigen, dass niedrig qualifizierte Jobs verlorengehen und auch in Zukunft nicht mehr wiederkommen. Der einzige Erfolgsfaktor für Wohlstand und damit auch sozialen Frieden ist ein möglichst hohes Bildungsniveau in Österreich. Aus meiner Sicht gehört das gesamte Schulsystem reformiert, und zwar im Sinne einer verpflichtenden Ganztagsschule und einer gemeinsamen Schule aller Sechs- bis 14-Jährigen. Das bedarf einer Investition, weil dafür mehr Personal und andere bauliche Voraussetzungen in den Schulen notwendig sind, und es braucht auch Flexibilität seitens der Lehrerinnen und Lehrer, mehr ihrer Arbeitszeit unmittelbar mit den Kindern zu verbringen."

Auszüge aus dem Gespräch mit Alexander Kail, Managing Partner Stanton Chase

Lehrerausbildung und -auswahl sowie die Unbeweglichkeit der Standesvertretung halte ich für eines der zentralen Probleme im Schulsystem. Hinzu kommt, dass die Schulleiter zu wenig Spielraum für ihre Managementaufgaben und oft auch zu wenig Managementkompetenz haben – auch für Sanktionen. Lehrer sollten Vorbildwirkung haben, diese ist gelegentlich aber überschaubar. Grundsätzlich soll Schule auf das vorbereiten, was kommt, Freude an der Leistung vermitteln. Es geht um Vorbereitung auf eine komplexe, heterogene und sich ständig wandelnde Welt. Somit veralten Lehrinhalte viel schneller, und was bleibt (bleiben sollte), ist die Fähigkeit, Informationen zu selektieren.

Bereichsübergreifender Unterricht, Teamarbeit und eine Verbindung zur Praxis – das ist der richtige Weg. Oft fehlt – positive Ausnahmen bestätigen die Regel – das Vermitteln wirtschaftlichen Denkens – bloße Notenorientierung ist zu wenig: Orientierung an den Stärken, nicht Kritik an den Schwächen soll im Fokus stehen." (DER STANDARD, Printausgabe, 26./27.6.2010)