Wien - Die Wahl der Verfassungsrichterin Claudia Kahr zur neuen Vorsitzenden des Asfinag-Aufsichtsrats sorgt weiter für Diskussionen. Die ÖVP ließ am Freitag mit einer Forderung nach Unvereinbarkeitsregeln für Verfassungsrichter aufhorchen. Zudem sollte Infrastrukturministerin Doris Bures (SPÖ) ihre Entscheidung zurücknehmen. Bures wies im "Ö1-Mittagsjournal" Kritik an ihrem Vorgehen zurück.

"Politisch falsch"

"Die Besetzung ist äußerst problematisch und politisch falsch", erklärte ÖVP-Verfassungssprecher Wilhelm Molterer. Die Infrastrukturministerin wäre gefordert, zu reagieren und ihren Vorschlag "zurückzuziehen", so Molterer. In Zukunft sollten Verfassungsrichter keine Organe in Kapitalgesellschaften ausüben dürfen. Die ÖVP arbeite bereits an einem entsprechenden Gesetzesentwurf und möchte diesen am Montag dem Regierungspartner übergeben. JVP-Obmann Sebastian Kurz zeigte sich in einer Aussendung "empört": "Der jüngste rote Postenschacher untergräbt das Vertrauen in die Höchstgerichte."

Auch für die Grüne Verkehrssprecherin Gabriela Moser sind die Posten als Verfassungsrichterin und Asfinag-Aufsichtsratschefin "klassisch unvereinbar". Denn die Asfinag stehe in zahlreichen Rechtskonflikten, die bis zum VfGH führten. Diese Unvereinbarkeit habe allerdings - noch intensiver - auch für den von der ÖVP favorisierten IV-Generalsekretär Markus Beyrer gegolten. Daher habe die ÖVP "in dieser Debatte keinen Auftrag", so Moser in einer Aussendung.

Verfassungsrichter nur im Nebenberuf

Die Richter des Verfassungsgerichtshofs sind nebenberuflich tätig. Im Gegensatz zu Berufsrichtern beraten und entscheiden hier etwa Rechtsanwälte, Universitätsprofessoren oder Verwaltungsbeamte. Zwar gibt es für sie keine Unvereinbarkeits-, aber doch strenge Befangenheitsregeln. Bei einer etwaigen Befangenheit wird für den jeweiligen Fall ein Ersatzmitglied nominiert.

Am VfGH tätige Rechtsanwälte etwa, die mit ihrer Kanzlei einen Mandanten betreuen, der auch von einem Fall am VfGH betroffen ist, dürfen dann nicht selbst an Beratungen und Entscheidungen teilnehmen. Nach einer Meldung dieser Befangenheit beim VfGH-Präsidenten wird der Verfassungsrichter wie im Fall einer Erkrankung von einem Ersatzmitglied vertreten. Auf jedem Deckblatt einer Entscheidung wird aufgelistet, wer daran mitgewirkt hat. In derartigen Fällen fehlt dann beispielsweise der Name jenes Verfassungsrichters, der nicht an der Entscheidung mitgewirkt hat und es wird der Name des Ersatzmitgliedes angeführt.

Beyrer legt Mandat zurück

Im Zuge des Streits zwischen ÖVP und SPÖ um die Besetzung des Aufsichtsrats-Chefpostens in der Asfinag zieht sich Beyrer nun völlig aus dem Asfinag-Aufsichtsrat zurück. Er legt sein erst im Mai angenommenes Mandat wieder zurück, bestätigte die Asfinag am Freitag.

Aus dem Verkehrsministerium hieß es dazu, dies sei Beyrers "persönliche Entscheidung", die "zur Kenntnis genommen" werde. Bei nächster Gelegenheit werde der Posten nachbesetzt, wobei "rein rechtlich" der Vorschlag dazu eine Entscheidung der Verkehrsministerin sei.

Die ÖVP lässt sich vorerst offen, ob es wieder einen schwarzen Kandidaten für den Asfinag-Aufsichtsrat geben wird. Daniel Kapp, Sprecher von Finanzminister Josef Pröll (ÖVP), dazu: "Ob die ÖVP wieder einen Kandidaten für diesen Posten stellt, wird nicht zuletzt davon abhängen, ob Ministerin Bures Gespräche hierzu anbietet. Angesichts ihres durchaus parteipolitisch einseitigen Vorgehens bei jüngsten Postenbesetzungen fehlt aber das Vertrauen". Kapp erinnerte in diesem Zusammenhang an die Besetzung von Nikolaus Pelinka, zuvor Pressesprecher von SP-Bildungsministerin Claudia Schmied, in den ÖBB. (APA/red)