Sechs Uhr morgens an einem ganz normalen Donnerstag in San Francisco: 300 Meter weit reicht die Menschenschlange, die sich vor dem Apple Store in Downtown angesammelt hat. Immer wieder bleiben mobile Buden stehen und reichen den Ausharrenden heißen Kaffee. Das ist bitter nötig, nicht nur der Uhrzeit wegen. "Die kältesten Winter sind die Sommer in San Francisco", zitiert ein Apple-Mitarbeiter grinsend Mark Twain.

Foto: derStandard.at/flon

Ein gutes Dutzend iPhone-Fans, so erzählt er, hätten schon die vergangenen beiden Nächte auf der Straße vor dem Store verbracht. In Zelten und Schlafsäcken. Einer habe sogar eine aufblasbare Couch dabeigehabt. "Alrighty, folks", sagt einer der Polizisten, der an diesem Morgen Dienst schiebt: "Aus dem Weg, es wird langsam eng hier." In zwei Reihen stehen die folks an, links die mit "Pre-Order", rechts jene ohne.

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Richard (32, l.) und James (37,r.) sorgen für ein klein wenig Public-Viewing-Gefühl an diesem nasskalten Morgen in 1 Stockton Street. Seit ein Uhr stehen sie schon da und halten in kurzen Abständen ihr selbstgebasteltes Schild hoch.

"Wir sind extra gestern Abend mit dem Flugzeug aus Alabama hergekommen", erzählt Richard. Nicht dass es in ihrer Heimat keine Apple-Geschäfte gäbe, winkt James ab: "Wir wollten das iPhone dort abholen, wo es herkommt und wo die ganze Atmosphäre dazupasst."

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Brooke (15) aus dem texanischen Austin ist auf Urlaub in der City at the Bay. "Ich konnte einfach nicht warten, bis ich wieder zuhause bin." Seit zwei Uhr früh steht sie darum schon an, um sich ihr iPhone 4 abzuholen. So wie die meisten hier nicht ihr erstes Apple-Handy: "Ich habe schon drei zuhause, ich liebe sie alle."

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Halb sieben, Stoßzeit. Im Minutentakt wird die Schlange um einen Meter länger. Auch Scott (29,l.), Stephan (22, m.) und Natalie (34, r.) haben einen weiten Weg hinter sich. Vorgestern erst ist ihre Maschine aus London in der nordkalifornischen Metropole gelandet.

Pre-Order-Confirmation haben die drei nicht dabei. "Macht nichts, wir wollten uns sowieso die Atmosphäre hier anschauen", sagt Scott. "Viele interessante Typen stehen hier und warten, gar nicht so die Geeks, wie ich erwartet habe", sagt Natalie, schaut sich um und lacht.

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Den drei Angelsachsen gegenüber sitzt David (34) aus San Francisco. Seit 3:45 Uhr sitzt er schon an der Ecke O'Farrell und Stockton und hämmert auf sein iPad ein. Der Programmierer ist froh, wenn er wieder ins Bett kommt. "Wirklich Spaß macht das hier nicht. Aber irgendwie ist es auch cool, dabei zu sein."

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Um Punkt sieben Uhr brechen am Eingang des Apple-Stores alle Dämme. Dutzende, in blaue Poloshirts gehüllte Mitarbeiter packen ihre eigenen iPhones aus und fotografieren die Meute hinter der gläsernen Front. Dann wird noch der Countdown gezählt und die ersten zehn Kunden entern das Geschäft.

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Die Polizei, mit einem Dutzend Kräften vor Ort, hat alle Hände voll damit zu tun, angesichts der enthusiasmierten Apple-Fans die öffentliche Sicherheit aufrecht zu erhalten. "Was wir hier sehen ist ein Massenansturm auf ein Handygeschäft", sagt ein Reporter eines lokalen TV- Senders in die Kamera. Drei Teams sind insgesamt angerückt und blockieren die Gehsteige mit ihren News-Trucks.

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Linda ist mit ihren 65 Jahren das wahrscheinlich älteste Glied der Kette, die sich gegen halb acht Uhr beinahe um den gesamten Block spannt. Und sie steht ganz weit hinten.

Aber es helfe halt nichts, sagt sie lachend. Seit 1977 fühlt sie sich als Teil der Apple-Familie. Deshalb will sie auch bei diesem neuen iPhone zuschlagen. Dass sie fast am Ende der Schlange steht, es ficht sie nicht an. "Ich habe ja vorbestellt. Außerdem habe ich im Notfall auch den ganzen Tag Zeit." (Florian Niederndorfer aus San Francisco/derStandard.at, 24.6.2010)

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