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Der Zenit ist aber noch nicht überschritten. In ein bis eineinhalb Jahren, wenn sich die Wirtschaft wieder erholt, wird mit einer weiteren Insolvenzwelle gerechnet.

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Wien - Gute Nachrichten aus der Wirtschaft. Die Firmenpleiten werden heuer entgegen ursprünglicher Prognosen zurückgehen und auch die Zahl der Privatkonkurse wird langsamer steigen als zuletzt erwartet. Der Kreditschutzverband von 1870 (KSV) hat seine Prognose vom vergangenen Dezember "mit freudiger Überzeugung revidiert", so der Leiter der Insolvenzabteilung Hans-Georg Kantner am Donnerstag bei der Halbjahrespressekonferenz.

Zenit noch nicht überschritten

Allerdings, der Zenit sei damit noch nicht überschritten. In ein bis 1,5 Jahren, wenn sich die Wirtschaft wieder erholt, sei mit einer weiteren Insolvenzwelle zu rechnen, so Kantner. Bei steigenden Zinsen werden vor allem Firmen mit einem hohen Fremdkapitalanteil Probleme bekommen. Bis jetzt hätten die österreichischen Firmen jedenfalls die Krise besser bewältigt als in anderen europäischen Ländern.

Während der KSV im Dezember für 2010 noch von einem Anstieg bei den Firmenpleiten um 10 Prozent ausgegangen ist, erwartet Kantner nun zur Jahresmitte einen "spürbaren Rückgang" um rund 5 Prozent. Bei den Privatkonkursen rechnen die Gläubigerschützer mit einem Plus von rund 5 Prozent statt der ursprünglich erwarteten 10 Prozent Zuwachs.

Im 1. Halbjahr 2010 sind die Firmenpleiten im Jahresvergleich noch deutlicher zurückgegangen. Die Zahl der Gesamtinsolvenzen sank um 7,5 Prozent auf 3.212 (3.471) Fälle. Bei den eröffneten Verfahren gab es ein Minus um 8,2 Prozent auf 1.747 Insolvenzen, davon waren 1.731 Konkurse (minus 8,1 Prozent), 16 Ausgleiche (minus 23,8 Prozent), und 1.465 mangels Masse abgewiesene Konkurse (minus 6,5 Prozent). Die geschätzten Insolvenzverbindlichkeiten schrumpften um ein Fünftel auf 1,6 Mrd. Euro. Die Zahl der betroffenen Dienstnehmer ging im Halbjahr mit minus 26,6 Prozent deutlich auf 11.300 Personen zurück.

Vorarlberg bleibt Ausnahme

Bis auf Vorarlberg konnten in den ersten sechs Monaten alle Bundesländer sinkende Insolvenzzahlen vorweisen. Am kräftigsten gingen die Firmenpleiten im Burgenland mit minus 19,6 Prozent (90 Fälle) zurück, gefolgt von Tirol (minus 18,5 Prozent, 216 Fälle) und der Steiermark (minus 15,8 Prozent, 425 Fälle). Der deutliche Rückgang in Tirol und der Steiermark sei keine Überraschung, so Kantner. Beide Länder seien hochindustrialisiert und exportorientiert, und hätten die Krise früher zu spüren bekommen und sie auch früher überwunden. Den kräftigsten Zuwachs gab es in Vorarlberg mit plus 37,7 Prozent zwar auf nur 168 Fälle, bedenklich sei aber, dass sich die Passiva im Jahresvergleich auf 95 Mio. Euro fast verdreifacht haben.

Die meisten Pleiten gab es traditionell in den unternehmensbezogenen Dienstleistungen (590 Verfahren und 570 Mio. Euro Passiva) und in der Bauwirtschaft (509 Verfahren, 163,6 Mio. Euro Passiva) und im Gastgewerbe (472 Verfahren, 81,3 Mio. Passiva). Die größten Fälle im Halbjahr waren der Konkurs des Kärntner Finanzdienstleisters AvW mit 291,1 Mio. Euro Passiva, gefolgt von der Umwelt- und Entsorgungsgruppe U.E.G.-A.D.L. mit Passiva von 62,9 Mio. Euro. Drittgrößte Pleite war die Elektrohandelskette Cosmos mit 60,0 Mio. Euro.

Leichter Anstieg bei Privatkonkursen

Die Zahl der Privatkonkurse stieg im Halbjahr im Jahresvergleich um 0,6 Prozent auf 4.616 Verfahren. Die Verbindlichkeiten schrumpften um 1,4 Prozent auf 545 Mio. Euro, sodass die durchschnittliche Pro-Kopf-Verschuldung rund 118.000 Euro betrug. Rund zwei Drittel der Betroffenen sich echte private Schuldner mit im Schnitt 55.000 Euro Schulden. Ein Drittel der Betroffenen sind ehemalige Selbstständige mit Schulden von durchschnittlich 250.000 Euro. Insgesamt schätzt der KSV, dass rund 100.000 Österreicher (Kantner: "oder mehr") ihrer Schulden nicht bedienen können. Mindestens einmal im Halbjahr sollte es gelingen, das Girokonto auf Null zu stellen, andernfalls droht die Zahlungsunfähigkeit. Nach KSV-Schätzungen sind es jährlich rund 20.000 Fälle, die eigentlich unmittelbar Insolvenz beantragen müssten. Derzeit wird im Justizministerium über eine Novelle des Schuldenregulierungsverfahrens beraten. Diese soll noch im August in die Begutachtung gehen und am 1.1.2011 in Kraft treten.

Im Rahmen der Novelle sollen unter anderem die Billigkeitsgründe im Privatkonkursrecht erweitert werden. Demnach sollte dann auch eine Entschuldung erfolgen, wenn der Schuldner nicht alle im Gesetz genannten Bedingungen auf Punkt und Beistrich erfüllt.

Beurteilung der Billigkeit

Der KSV wünscht sich dabei mehr gesetzliche Anhaltspunkte für die Beurteilung der Billigkeit durch das Gericht. So soll etwa berücksichtigt werden, dass ein Schuldner außerordentliche Anstrengungen vornimmt, wie etwa die Aufnahme von mehreren Arbeitsverhältnissen, um die Gläubiger zu befriedigen. Weiters könne sich der KSV auch vorstellen, Krankheit oder längere Arbeitslosigkeit als solche Gründe anzuerkennen. Eine Abschaffung der Mindestquote von 10 Prozent lehnt der KSV jedoch ab. Derzeit betrage die durchschnittliche Quote 15 Prozent, rund 85 Prozent der Gläubiger erhalten auch ihr Geld. Hauptursachen für einen Privatkonkurs sind neben Schulden aus einer Selbstständigkeit, Krankheit, Arbeitslosigkeit oder Scheidung.(APA)