Rektorenchef Sünkel wirft der Politik Mutlosigkeit vor. 

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Rektor, Kaffee und Hochschuldialog

Foto: Matthias Cremer

STANDARD:  Sie kennen den Endbericht des Hochschuldialogs, der kommende Woche präsentiert wird (und auch dem Standard vorliegt) bereits. Wie bewerten Sie ihn: "Geschwätz" oder hilfreiche Grundlage für eine neue Uni-Politik?

Sünkel: Durch dieses Papier, wo auf mageren 35 Seiten Dinge wiedergegeben werden, die auch vor sechs Monaten bereits bekannt waren, fühle ich mich bestätigt: Die Universitätenkonferenz ist im Frühjahr zu Recht ausgestiegen. In dem Papier sind vor allem Allgemeinplätze zu finden, es steht nichts Neues drinnen. Schon vor dem Dialog ist alles gesagt worden, aber anscheinend noch nicht von allen. Jetzt ist wirklich von allen alles gesagt worden.

STANDARD: Warum sind die Ergebnisse so dürftig?

Sünkel: Eine Runde von 50 Personen, die sechs Monate im Kreis sitzt und diskutiert, kann nicht zu strategischen Überlegungen gelangen, die dann in Empfehlungen für die Bundesregierung münden.

STANDARD: Beim Hochschulzugang drängt für Sie aber die Zeit.

Sünkel: Ja, weil sich die Studierendenströme dramatisch nach oben entwickelt haben mit Zuwächsen von mitunter 20 Prozent. Das ist wirklich nicht mehr länger verkraftbar. Die Zeit drängt auch vor dem Hintergrund, dass Bayern 2011 das neunte Schuljahr abschafft und damit zwei Abiturientenjahrgänge gleichzeitig an die Tore der Unis und Fachhochschulen drängen. Und 2012 geschieht das Gleiche in Baden-Württemberg. Ein Teil von ihnen wird nach Österreich drängen.

STANDARD: Was erwarten Sie sich von Wissenschaftsministerin Karl? Sie will ja die Frage der Zugangsbeschränkungen an die Einführung der Gesamtschule koppeln.

Sünkel: Ich halte diese Vorgangsweise für zielorientiert. Das ist ein Politikum, also ist mit politischen Instrumenten zu arbeiten, die da heißen: Tauschgeschäft. Ich finde das gut und bin sehr davon angetan, dass das Thema trotz erheblicher Proteste aus den eigenen Reihen von der Ministerin aufgegriffen wird. Ich erwarte mir, dass sie da am Drücker bleibt und es gemeinsam mit Ministerin Schmied bis 2011 zu einer Lösung kommt.

STANDARD:  Die Studiengebühren werden im Bericht gar nicht angesprochen. Ein Versäumnis?

Sünkel:Ich lese immer nur von "privaten Mitteln". Die Politik umschweigt das Thema Studiengebühren und hat nicht den Mut, offen auszusprechen, dass die Uni-Finanzierung auch Studienbeiträge braucht. Zumal offensichtlich in wirtschaftlich schwierigen Zeiten der Staat nicht genug Mittel bereitstellen kann. Die Politik wird auf Studiengebühren nicht verzichten können und sollte das auch klar beim Namen nennen.

STANDARD:  Insofern doch etwas Überraschendes an dem Bericht?

Sünkel: Ich bin enttäuscht, dass man nicht den Mut aufbringt, ein Thema anzusprechen, das ganz sicher ein wesentliches Element der Zukunft sein wird. Der Staat wird sich in der Finanzierung der Unis nicht beliebig weiterentwickeln können und wollen und wird auf zusätzliche Finanzierungsformen zurückgreifen.

STANDARD:  Bewegt sich bei den Zugangsbeschränkungen eher etwas als bei den Studiengebühren?

Sünkel: Studiengebühren scheinen derzeit wirklich ein völlig unbesuchtes Land zu sein. Über Zugangsbeschränkungen darf ja wenigstens diskutiert werden.

STANDARD: Was sehr wohl im Bericht steht: Die Forderung nach einem verbindlichen Budgetpfad.

Sünkel: Im Entwurf des Regierungsprogramms stand: Zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) bis 2020. In der Letztfassung steht das Zwei-Prozent-Ziel, aber nicht das Zieldatum. Und im Bundesfinanzrahmengesetz steht weder noch. Diese geistige Verabschiedung ist mehr als bedenklich. Die Bundesregierung wäre sehr gut beraten, sich intensiv mit der Bedeutung des Themas Bildung zu beschäftigen und dem deutschen Vorbild zu folgen, wo 12 Milliarden zusätzlich in Forschung und Bildung investiert werden. Denken Sie an Länder wie Finnland oder Südkorea: Die waren bis vor 50 Jahren Armutsländer. Dort hat man ganz bewusst in Bildung und Forschung investiert. Heute sind beide führend auf dem Gebiet. Wir sollten diesem Beispiel dringend folgen, sonst setzten wir die Zukunft unserer jungen Generationen aufs Spiel und das wäre sehr, sehr fahrlässig.

STANDARD:  Setzen Sie da auf die nächste Regierung?

Sünkel: Die Bildungslandschaft muss jetzt neu gestaltet werden. Da hilft kein Nachjustieren, das muss neu aufgestellt werden. Ich hoffe, dass gerade die aktuelle wirtschaftliche Situation auslösendes Moment sein könnte, um das rasch voran zu treiben. Jetzt ist die Zeit reif, nicht nur Debatten zu führen und schöne Papiere zu schreiben, sondern Handlungen zu setzen.

STANDARD: Warum sind Investitionen in den Hochschulsektor in Österreich so unpopulär?

Sünkel: Politiker denken halt bis zu nächsten Wahl. Daher wird eher in Bereiche investiert, wo man sofort einen Erfolg sieht. Das ist im Bereich der Forschung, insbesondere der Grundlagenforschung nicht so leicht. Zudem ist Österreich ein Hochlohnland und weite Bevölkerungsschichten sind bereits saturiert. Da ist es schwer, zusätzliche Investitionen zu argumentieren. Südkorea war und ist bildungshungrig und investiert daher massiv in Bildung.

STANDARD:  Eine bessere Ausgangslage als die derzeitige Krise könnte Ihnen also gar nicht passieren?

Sünkel: Die Krise könnte in der Tat ein diabolischer Glücksfall sein, wenn man geistig vorbereitet ist. (Karin Moser, DER STANDARD, Printausgabe, 24.6.2010)