Börsen-Vorstand Michael Buhl glaubt an die Kraft kleinerer Unternehmen. Der Mid-Market soll nun einen Index bekommen.

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Kleine Unternehmen werden von Anlegern oft nicht beachtet. Warum es sich aber dennoch lohnt, auch auf die kleinen zu schauen, erklärt Börsen-Vorstand Michael Buhl im Gespräch mit Bettina Pfluger.

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STANDARD: Die Wiener Börse hat gemeinsam mit dem Investor Relation Verband Cira den "Austrian Small Cap Day" veranstaltet. Was macht kleine Unternehmen für Investoren interessant?

Buhl: Kleine Unternehmen sind genauso interessant wie große. Man muss sich immer anschauen, wie das Unternehmen als solches aufgestellt ist. Es geht immer nur darum, ob ein Unternehmen eine gute Story hat und gut performt. Bei großen Unternehmen ist es vielleicht ein Vorteil, dass mehr Liquidität da ist. Das kann bei kleinen oft ein Manko sein - muss es aber nicht. Hängt auch damit zusammen, wie die Aktionärsstruktur aussieht. Hat ein kleines Unternehmen einen großen Freefloat, kann das auch viel Fantasie haben. Kleine haben also denselben Reiz wie große oder mittlere.

STANDARD: In Deutschland haben die Nebenwerte zuletzt die Standardtitel outperformt. Relativ unbeobachtet von den Anlegern. Ist das in Wien auch so?

Buhl: Ob das auf breiter Linie so ist, müsste man sich anschauen. Aber einige Unternehmen haben den Leitindex ATX deutlich outperformt. Als Beispiel kann man den Mautbetreiber Kapsch nennen, der 107 Prozent gemacht hat, seit dem Tiefstand im Jahr 2009. Der ATX hat in derselben Zeit rund 70 Prozent aufgeholt.

STANDARD: Gibt es Beobachtungen, dass kleine Unternehmen in Zeiten volatiler Phasen stabiler performen als die großen - bei denen ja oft Fondsmanager Keyplayer sind?

Buhl: So wie kleinere Märkte sich bei volatilen Phasen anders verhalten als große, sieht man es auch bei den Unternehmen. Manchmal werden sie etwas links liegengelassen, was Vor- oder Nachteile haben kann. Aber aus einer Gesamtbetrachtung heraus ist es schwierig zu sagen, kleine Unternehmen verhalten sich anders als große. Es geht immer um die Frage, wie gut das Unternehmen als solches performt, unabhängig davon, welche Größe es hat.

STANDARD: Warum sollen sich Privatanleger die kleinen Unternehmen anschauen?

Buhl: Weil da Perlen drinnen sind. Weil da ausgesprochen gute Unternehmen ausgezeichnete Leistung erbringen - auch wenn sie nicht so groß sind und in den Medien nicht so oft vorkommen - aber in ihrer Nische sind sie Weltmeister. Ich will da niemanden speziell hervorheben, aber um beim genannten Beispiel zu bleiben: Kapsch ist im Bereich der Bemautung nicht nur in Europa, sondern mittlerweile auf der ganzen Welt toll unterwegs und in einer ausgezeichneten Position. Nur weil die Unternehmen verhältnismäßig kleiner sind, sollte man sie nicht vernachlässigen. Da werden gute Leistungen erbracht.

STANDARD: Die Wiener Börse betreibt seit 2007 das Segment des Mid-Markets, um den Klein- und Mittelbetrieben mehr Beachtung zu geben. Schafft die Zusammenfassung in diesem Segment auch genügend Aufmerksamkeit, wenn es um die Kapitalaufnahme über den Markt geht?

Buhl: Ja. Wir haben jetzt neun Werte im Mid-Market und sind damit an der kritischen Grenze. Wir denken jetzt darüber nach, den Mid-Market mit einem eigenen Index zu versehen, um noch mehr Heraushebung stattfinden zu lassen. Im Mid-Market zu sein, mit einem Label versehen zu sein, Transparenzverpflichtungen einzugehen - das hebt die Unternehmen schon heraus.

STANDARD: Die Unternehmen im Mid-Market werden von einem Capital-Market-Coach betreut. Welche Erfahrungen gibt es damit?

Buhl: Das ist eine intensive und enge Zusammenarbeit mit Rechtsanwälten oder Investmentbanken, die jeweils Input geben. Generell findet ein Know-how-Transfer statt. Speziell dann, wenn ein Capital-Market-Coach schon mehrere Unternehmen betreut hat. Generell ist die Idee, das Unternehmen auch nach dem Börsengang zu betreuen und das Leben am Kapitalmarkt zu begleiten - bei Fragen zu Investor-Relation oder bei Reporting-Pflichten, aber eben auch beim Thema Liquidität.

STANDARD: Welches Resümee ziehen Sie nach dem Small Cap Day?

Buhl: Es wurden sowohl vom Interesse der Unternehmen als auch von Investoren unsere Erwartungen übertroffen. Es waren viele Investoren da, die sich die Präsentationen der Unternehmen angehört haben. Es war eine gute Plattform, wo sich Investoren mit Unternehmen treffen konnten, um einen ersten Eindruck zu bekommen.

STANDARD: Gibt es an den Osteuropa-Börsen auch eigene Segmente für kleine und mittlere Betriebe?

Buhl: Bei den drei, an denen die Wiener Börse beteiligt ist, eigentlich nicht. Prag ist ein sehr breiter Markt, dort gibt es aber auch viele nichtliquide Titel. Eine Marktsegmentierung wird dort mit der Einführung von Xetra kommen. In Budapest gibt es Segmente, aber nicht nach der Größe. In Laibach überhaupt nicht. In Polen gibt es mit dem ,New Connect‘ ein eigenes Small-Cap-Segment. Dort wurden in den vergangenen Jahren auch viele Listings durchgeführt. In diesem Segment gibt es allerdings nur geringe Transparenz- und Reportingpflichten, was auch wenig Liquidität bringt. Wir wollen lieber weniger Unternehmen im Mid-Market, aber mit mehr Transparenz, damit eine Mindestliquidität sichergestellt ist. DER STANDARD, Print-Ausgabe, 24.6.2010)