Wien/Mariazell - Die katholischen Bischöfe Österreichs haben am Mittwoch im Anschluss an ihre Vollversammlung in Mariazell ihren "Rahmenplan" gegen Missbrauch in der Kirche vorgelegt. Ein Kernpunkt: Geld für Opfer soll aus einer "Stiftung Opferschutz" kommen, aus der sowohl Therapiekosten als auch Schmerzensgeld- und Schadensersatz-Zahlungen finanziert werden.

Geldleistungen "nicht aus dem Kirchenbeitrag"

Die Zahlungen sollten "rasch, unbürokratisch, menschlich und angemessen" erfolgen. Über die Dotierung dieser Stiftung wurden keine Angaben gemacht. Betont wurde jedoch, dass die Geldleistungen "nicht aus dem Kirchenbeitrag" finanziert würden, sondern "beim Täter oder bei einer verantwortlichen Institution eingefordert" werden sollen.  Schönborn erklärte, dass die "Stiftung Opferschutz" zur Hälfte von den Diözesen und zur anderen Hälfte von den Orden finanziert werde. Man werden den Fonds nicht aus Mitteln des Kirchenbeitrags finanzieren. Es gebe auch verschiedene andere Mittel, etwa Grundbesitz der Kirche.

Geldleistungen richten sich nach Empfehlungen

Die Zuweisungen von finanziellen Unterstützungen durch den Fonds werden sich laut Schönborn ausschließlich danach richten, was die Opferschutzkommission unter Leitung von Waltraud Klasnic empfiehlt. Man werde sich nicht daran orientieren, was Rechtsanwälte vorschlagen. Auch die Rechtsvertretung der Betroffenen von sexuellem Missbrauch in der Kirche müsse sich an die Klasnic-Kommission wenden. Sollte die Plattform das nicht wollen, so müsse sie den "Rechtsweg" beschreiten.

Keine generelle Anzeigenpflicht

Eine generelle Pflicht, mutmaßliche Missbrauchstäter anzuzeigen, sieht der Maßnahmenkatalog nicht vor. Ausnahme: Nur bei Gefahr in Verzug,  wenn angenommen werden könne, dass "durch den mutmaßlichen Täter weitere Personen zu Schaden kommen könnten", Dann werde "auf Initiative der Kirche der Sachverhalt zur Anzeige gebracht".  Ansonsten empfiehlt die Ombudsstelle dem Opfer, selbst Anzeige zu erstatten. Die kirchlichen Leitungsverantwortlichen würden dann bei erhärtetem Verdacht den mutmaßlichen Täter "zur Selbstanzeige auffordern".

Ausnahmen wenn Opfer keine Anzeige wünschen

Zum Thema der Anzeigen sagte Schönborn, grundsätzlich rate man den Opfern zur Anzeige, den Tätern empfehle man die Selbstanzeige. Sollten diese nicht dazu bereit sein, so werde durch die Kirche eine Sachverhaltsdarstellung an die Staatsanwaltschaft übermittelt. Eine Ausnahme gebe es aber für jene Fälle, in welchen die Opfer ausdrücklich wünschen, dass es nicht zur Anzeige kommt. Man werde aber auch in diesen Fällen die "dringende Empfehlung" zur Anzeige abgeben, so der Kardinal.

Weisungsfreiheit für kirchliche Ombudsstellen

Die kirchlichen Ombudsstellen sollen künftig einheitlich gestaltet und weisungsfrei sein und von "unabhängigen Fachleuten" geleitet werden.  Die für jede Diözese geplanten zusätzlichen Kommissionen sollen von Juristen sowie Mitarbeitern der Diözese besetzt werden. So gebe es beispielsweise in Wien schon eine solche Kommission, wo u.a. die Leiterin der Telefonseelsorge Mitglied sei, so Schönborn.

Dienstfreistellung bei Verdacht

Zusätzlich wird in jeder Diözese eine Kommission eingesetzt, die mit dem Bischof Konsequenzen für mutmaßliche Täter berät. Bei einem begründeten Verdacht werde dieser künftig "bis zur endgültigen Klärung des Sachverhalts dienstfrei gestellt". Es ist eine enge Kooperation mit den staatlichen Stellen geplant.

Schönborn: Opfern "Gerechtigkeit und Hilfe zukommen lassen

Kardinal Christoph Schönborn hat nach der Vollversammlung der Bischöfe in Mariazell erklärt, der Maßnahmen-Katalog gegen Missbrauch und Gewalt habe als primäres Ziel, den Opfern "Gerechtigkeit und Hilfe zukommen zu lassen". Der eingeschlagene Weg sei der richtige, er sehe einen "Neuaufbruch" in der Kirche. "Es muss die Mauer des Schweigens durchbrochen werden", so der Kardinal. Als Leitsatz für das Bemühen der Kirche im Umgang mit Missbrauch und Gewalt zitierte Schönborn aus der Bibel: "Die Wahrheit wird euch frei machen." Das was bekannt wurde, sei erschütternd und darf nicht wieder vorkommen, so Schönborn.

Schönborn nennt keine Zahl zu Kirchenaustritten

Zu den aktuellen Austrittszahlen wollte Kardinal Christoph Schönborn aber keine Stellung abgeben. Er erklärte lediglich, dass die Austritte seit "Anfang Februar sehr stark angestiegen" seien. In den letzten Wochen sei diese Zahl jedoch wieder abgeflacht. Man werde am Ende des Jahres sehen, wie hoch die Zahl dann wirklich sein wird.

Gleichzeitig verwies der Kardinal darauf, dass es "starke Rückbewegungen" gebe. "Die Zahl der Eintritte ist signifikant", so Schönborn. Er verwies etwa darauf, dass zu Beginn der Fastenzeit alleine in Wien 70 Erwachsene getauft worden seien. Am Montag hatte der Leiter der Kirchenbeitragsstelle der Erzdiözese Wien, Josef Weiss, erklärt, es sei nicht unrealistisch, dass bis zu 80.000 Menschen die Katholische Kirche im Jahr 2010 verlassen. (APA)