Wien - Die verschiedensten Esskulturen gewinnen auch bei Jugendlichen an Bedeutung: Unter ihnen finden sich Vegetarier, Veganer, Frutarier ebenso wie Fleischtiger. Zwar ernähren sich laut Eurobarometer-Studie der EU nur 2,83 Prozent der Österreicher vegetarisch, doch liegen wir mit diesem Anteil auf dem dritten Platz europaweit. Spitzenreiter sind die Engländer mit einem Vegetarier-Anteil von vier Prozent.

In vielen vegetarischen Lokalen stehen Gerichte wie veganes Putengeschnetzeltes auf der Speisekarte. Dabei stellt sich die Frage, ob ein strikter Vegetarier gerne Hühnerfleisch aus Tofu isst, auch wenn laut Philipp Ikrath vom Institut für Jugendforschung die heutige Vegetariergeneration immer "softer" wird: "Wenn man heute von Vegetariern spricht, so ist damit nicht mehr unbedingt das gemeint, was es früher bedeutet hat: nämlich Menschen, die aus ethischer Überzeugung auf tierische Nahrung verzichten."

Die Lust auf Fleisch

Eine solche abgeschwächte Form des Vegetarismus verfolgt auch Martina Hundstorfer (16), die kein Fleisch isst, da es ihr nicht mehr geschmeckt hat. "Ab und zu habe ich schon Lust darauf. Doch ich weiß genau, dass ich nicht mehr zur Fleischfanatikerin werde", sagt Martina. Die wichtigen Nährstoffe möchte sie aber nicht missen, weshalb sie das Eiweiß über Fisch zu sich nimmt.

"Es ist wichtig, sich gut auszukennen, wenn man im Vegetarismus leben möchte. Die größte Gefahr bei Jugendlichen ist, dass sie zu wenig informiert sind, wie man sich ausgewogen ernähren soll", weiß Ernährungsberaterin Brigitte Bachmann.

Viele Jugendliche ersetzen das Fleisch hauptsächlich durch Milchprodukte, was ihnen gesund erscheint, doch ein Fehler ist. Diese Ernährungsweise nennt man Pudding-Vegetarier. Dabei gäbe es viele Alternativen, wie zum Beispiel Nüsse, Kraut und Kohl sowie Hülsenfrüchte, welche neben Tofu und Soja einem Eiweißmangel vorbeugen.

Doch nicht nur Gesundheitsbewusstsein, ethische Gründe und Geschmacksfragen bewegen junge Leute dazu, auf fleischlose Ernährung umzusteigen. Ikrath stellt fest, dass es oft damit zusammenhänge, schlank bleiben zu wollen. Bachmann kennt diese Ansicht, stellt jedoch klar, dass es ein Gerücht sei, durch Fleischverzicht abzunehmen. "Selbst wenn man zweimal die Woche Fleisch zu sich nimmt, besteht keine Gefahr, dick zu werden."

Kritisch sieht sie den Fleischkonsum bei Jugendlichen wie Jakob Salner (15), bei dem Hamburger, Wurstsemmeln und Leberkäse fast jeden Tag auf dem Speiseplan stehen. "Wenn ich beim McDonald's sitze, denke ich mir schon, dass ich weniger Fleisch essen sollte. Doch wenn man den schnellen Hunger vertilgen will, muss man zu Fleisch greifen. Ich könnte mir aber schon vorstellen, meine Ernährung irgendwann ganz umzukrempeln und sie auf vegetarischer Basis weiterzuführen", meint er.

Laut des Eurobarometers kommen bei 53 Prozent der Österreicher zwei- bis dreimal pro Woche Fleisch auf den Teller. Und auch Jakob ist kein Einzelfall: sechs Prozent gaben an, mehr als fünfmal Fleisch zu konsumieren.

Kein Gedanke an die Tiere

Dabei sorgen sich die Österreicher nicht besonders um das Wohlergehen der Tiere. 45 Prozent sind die Tiere gleichgültig, 48 der Befragten denken beim Einkauf zwar daran, doch nur sieben Prozent handeln auch danach.

Extreme Ernährungsweisen wie etwa jene der Frutarier, die nur pflanzliche Produkte zu sich nehmen und die Pflanzen dabei nicht zerstören wollen, hält Bachmann für bedenklich: "Solche Bewegungen grenzen sich sozial aus und fixieren sich zu sehr auf das Essen. Es ist in Ordnung, seinen eigenen Ernährungsstil zu haben, doch man sollte daraus kein großes Tamtam machen und das Essen nicht über das eigene Leben stellen", rät die Ernährungsberaterin. (Katharina Deisting, Luise Gieselmann, Selina Thaler, DER STANDARD, Printausgabe, 23.6.2010)