Doris P. ist Schottin in Wien, ihre Geschichte handelt vom Trinkgeld - und der Wiener Kellnerfreundlichkeit. An einem raren, weil sonnigen Junitag sitzt Doris P. mit sieben englischsprachigen Freundinnen im Biergarten eines Wirtshauses am Haarhof. Also dort, wo sich die Wiener Innenstadt derart gastfreundlich und historisch wertvoll darstellt, dass man nur "klick" machen muss, um ein Bild für die Fremdenverkehrswerbung zu schießen.

Doris P. lebt, wie ihre Bekannten, seit vielen Jahren in Wien. Die natürliche, absichtslose Freundlichkeit der Wiener Kellner, ihr im besten Sinne gewinnendes Naturell sind ihr durchaus nicht fremd. Deshalb ist Doris P. nicht weiter erstaunt, als der Kellner im "Bierhof" ein bisserl ein Schnoferl zieht, als es ans Zahlen geht: Geld kassieren allein wäre ja zumutbar - aber ned scho wieder so a Groscherlg'schäft, wo a jede glaubt, sie kann einzeln zahlen.

Es wäre kein Wiener Kellner, wenn derlei Impertinenz nicht postwendend geahndet würde. Frau P. und Freundinnen bekommen die Rechnung präsentiert - und was ihnen sonst gebührt. In diesem Fall, ganz dezent, als Zeile auf dem Rechnungsausdruck: +Tip € 11.

Der Hinweis von Doris P., dass die Verrechnung von Trinkgeld in Österreich illegal sei, wird vom Tisch gefegt: "This is tip, you pay this!" Schließlich hat alles seinen Preis. Nur das goldene Wienerherz ist offenbar unbezahlbar - zumindest auf legalem Weg. (corti/DER STANDARD, Printausgabe, 23. Juni 2010)