Es ist Erleichterung und Erschwernis zugleich, wenn sich einem endlich erschließt, warum eine Warnleuchte da um Aufmerksamkeit heischt. Gestern hat Hansjörg das erste Mal davon erzählt, dass am Display ein oranges Dreieck aufleuchtet und auf den hinteren Reifen verweist, der nur mit einem Luftdruck von zwei bar gefüllt ist.

Foto: Guido Gluschitsch

Ein Druck, der meiner Meinung nach ausreicht und uns nicht in eine Starre verfallen lassen sollte. Wir können beim nächsten Tankstopp ja etwas nachfüllen. Vielleicht lassen ja auch die Druckschwankungen, die auftreten, wenn der Reifen auf der Nockalm, beim Stehen, kalt und unten in der Seen-Gegend heiß wird, das Drucksystem der BMW schon anspringen

Foto: Guido Gluschitsch

Aber nein. Als die Warnleuchte sich heute wieder meldet, diesmal in roter Farbe, finden wir den Nagel, den sich Hansjörg in den Hinterreifen gefahren hat.

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"So lange der drinnen steckt, kann eh kaum Luft entweichen. Ich bin froh, dass ich endlich weiß, warum das Lamperl leuchtet", meint Hansjörg. Seiner Sozia Julia geht es da genau umgekehrt: "Jetzt, wo ich weiß, dass wir da einen Nagel im Hinterreifen haben, hab ich ein mulmigeres Gefühl, als ich es bis jetzt hatte, obwohl wir uns den ja anscheinend schon gestern irgendwo eingefahren haben müssen, so abgefahren, wie er schon ist."

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Im sich mulmig Fühlen ist Julia heute aber eh schon geübt. Sie hat die ganze Nacht kaum geschlafen. Der Regen draußen hat sie nicht zur Ruhe kommen lassen. "Normalerweise schlafe ich sehr gut, wenn es so gießt. Aber heute Nacht hat mich das gar nicht beruhigt. Ich hab da keine Erfahrungen, wie es ist, im Regen Motorrad zu fahren. Werde ich da sehr nass? Ich will mich auf keinen Fall verkühlen. Und was mach ich, wenn der Regen nicht aufhört?"

Foto: Guido Gluschitsch

Beim Frühstück geht es folglich um Regenkleidung, wie gut sie schützt und wo deren Schwächen liegen. Julia hat ein neues Textilgewand. Wie gut das ist, wird sich erst weisen, müssen wir ihr sagen. Auch wenn es bei der Abfahrt dazu schon viel zu spät ist, imprägnieren wir ihr Gewand noch schnell. Hansjörg nimmt die Sache gelassen. Auch er trägt Textil. "Die alte Jacke wird das schon aushalten. Ein wenig nass wird man immer. Das gehört halt dazu."

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Andreas und Simone, beide im Leder unterwegs, schlüpfen in ihre Kondome, wie sie die Plastik-Überhaut nennen. Ich werde am Abend am leichtesten Lachen haben, weil durch meine Rallye II-Textilkombi von BMW – natürlich vor der Tour noch schnell frisch imprägniert – wird nicht einmal der Fotoapparat in einer der Taschen nass, die nicht als wasserdicht ausgewiesen sind.

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Als wir gegen halb elf am Vormittag beim Ausnahme-Schokolatier Zotter eintreffen, sind noch alle trocken. Der Regen hat kurz bevor wir beim Staribacher losgefahren sind aufgehört – zwischendurch hat es leicht genieselt. Aber alle Straßen zwischen Leibnitz und Riegersburg sind nass.

Foto: Guido Gluschitsch

Unter dem Niesel, den Wolken und den dampfenden Straßen leidet die Fernsicht. Gut, bei Schloss Laubegg sind wir direkt vorbeigefahren, das war nicht zu übersehen, aber im Vulkanland lag die Riegersburg in einem geheimnisvollen Schleier, genauso wie das Schloss Lockenhaus, später, im Burgenland.

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Über zweieinhalb Stunden waren wir in der Schokoladenfabrik: "Ich kenne den Josef Zotter ja", sagt Julia, die ebenfalls in der Oststeiermark eine Firma betreibt – eine Ölmühle, "und ich mag ihn sehr." Als ausgefallen kann man die Führung, die Firma und das Drumherum bezeichnen.

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"Lassen Sie sich mit mir durch den Kakao ziehen", sagt Josef Zotter in seinem Film, der auf die Führung durch die Fabrik einstimmt: Die Welt des Kakao und der Schokolade.

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Als Schokoladentheater bezeichnet Zotter die Ausstellung, die er in seiner Firma geschaffen hat. Er erklärt von der Bohne bis zur fertigen Tafel, was passiert, worauf man als Produzent, aber auch als Konsument zu achten hat. Und an schier unzähligen Stationen lässt Zotter seine Besucher kosten. Kakaobohnen, Schokolade, und damit das Paradies komplett ist, fließt aus acht Schokoladebrunnen das braune Gold der Riegersburg.

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Die vier Gewinner haben sich ihren Schoko-Vorrat angehamstert und nichts ausgelassen. Ich war eher sparsam mit dem Probieren. Mich faszinierte die ungezuckerte Schokolade, die hundertprozentige. Die löst ein wahres Geschmacksfeuerwerk auf der Zunge aus. Aber das ist nicht jedermanns Geschmack, und es wird mehrmals ausdrücklich davor gewarnt, bei dieser Sorte zuzugreifen. Zu recht, wie Julia meint.

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Nach der süßen Welt holt uns der Regen wieder in die Realität zurück. Die Straßen sind nass, und vor allem Andreas hat Respekt davor. Doch die Reifen auf den BWMs halten, als wäre das Wasser ein Kleber, der die Patschen an den Asphalt heftet. Sogar der von Hansjörg verrichtet sauber seine Arbeit. Sowohl bevor, als auch nachdem wir wissen, dass er einen Nagel mit sich spazieren führt.

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Wir wählen trotzdem eine recht kurze und einfache Strecke in die St. Martins-Therme. Nur wenige Sonderprüfungen habe ich für heute in den Streckenplan eingebaut, von denen ich all jene, die gekommen wären, nachdem wir den Nagel gefunden haben, aus dem Programm nehme.

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Wir fahren vorsichtig und brauchen, auch wegen des Verkehrs zwischen Eisenstadt und Neusiedl, recht lange, bis wir im ersehnten Thermenressort ankommen. Dort dauert es wohl keine zehn Minuten, bis Hansjörg und Julia sowie Andreas und Simone im warmen, salzigen Wasser sitzen und sich ihres Lebens freuen.

Foto: Guido Gluschitsch

Beim Abendessen glänzt die Haut der Vier vom ausgiebigen Baden. Ihnen gefällt die neue Therme sehr gut. Andreas und Simone werden jetzt wohl öfter herkommen: "Es gibt da eine drei Stundenkarte. Das zahlt sich voll aus, wenn wir am Nachmittag von Wien aus her fahren", erzählt er, während ich meine Fischvariationen serviert bekomme.

Foto: Guido Gluschitsch

Und das ist ein Highlight für mich, auf dieser Reise. Schon im Hotel Staribacher, gestern, als auch heute Abend in der St. Martins-Therme ist das Service so ausgesprochen gut – also nicht nur die Küche zeigt groß auf–, dass einem das Herz aufgeht.

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