Es ist kein Randproblem, man muss sich nur die Statistik anschauen: 2008 betraf ein Viertel aller in Österreich ausgesprochenen Ehescheidungen Expartner unterschiedlicher Staatsangehörigkeit. Wie die hohe Zahl binationaler Eheschließungen ist auch das ein Zeichen, wie sehr die Grenzen durchlässiger, die Menschen mobiler geworden sind - anderslautenden fremdenrechtlichen Regelungen zum Trotz.

Zwar ist die Mehrzahl dieser Trennungen unkompliziert über die Runden gegangen, wohl weil bei den Betroffenen der gemeinsame Wille dazu da war. Doch wer die rechtlichen Regeln zu verstehen versucht, nach denen binationale Scheidungen ablaufen, wird von dem komplizierten Aufeinandereinwirken verschiedenster nationaler Familienrechte verwirrt sein. Wird den dringenden Handlungsbedarf erkennen, weil es hier schon lang nicht mehr um die Eliten und ihre teuren, anwaltbegleiteten Trennungen geht, sondern um durchschnittliche Bürger und Bürgerinnen mit ihren modernen Familienverhältnissen.

Aus diesem Grund eröffnet sich für die Europäische Union hier ein weites Betätigungsfeld, das sie den Menschen auf der Straße näher bringen kann als Verordnungen über Gurkenkrümmungen und Formulargrößen. Aber nur unter der Bedingung, dass es auf dem Weg zum EU-Scheidungsrecht gelingt, nationalstaatliche Selbstbezogenheit draußen zu halten: Europa als Alternative, nicht als Ergänzung. (Irene Brickner/DER STANDARD-Printausgabe, 22.6.2010)