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Brasilianer üben Jubelposen. Doch ewig nörgeln die Kritiker. Vermutlich würde auch ein Titel daran nichts ändern.

Foto: AP Photo/Ivan Sekretarev

Luís Fabiano, dieser 29-jährige Schlawiner, koste den Pokal. Natürlich nicht jenen, der am 11. Juli nach dem Finale überreicht wird (vermutlich übernimmt die Aufgabe Joseph Blatter), sondern diese kleine Trommel, von der es in Südafrika 64 Stück gibt, eine für den besten Spieler jeder Partie. Es war schon einmal ein Anfang, gewisse Übungen können einen Weltmeister machen. Fabiano war nach der Partie gegen die Elfenbeinküste zum besten Spieler gewählt worden. Ein brasilianischer Stürmer, der bei einem 3:1-Sieg zwei Tore schießt, wird das zwangsläufig. Vermutlich wurden die Stimmzettel gar nicht ausgezählt, es hat aber auch keiner das Ergebnis angefochten.

Branchenkenner, und der Schwede Sven Göran Eriksson ist allemal einer, sind zu 99 Prozent überzeugt, "dass Brasilien den ganzen Weg gehen wird" . Am 20. Juni hat der fünffache Weltmeister in der Soccer City von Johannesburg einen Zwischenstopp eingelegt. Nach einer dreiwöchigen Rundreise durch Südafrika ist die Ankunft ebendort programmiert, wobei der Ball natürlich auch für Brasilianer nur rund ist und der Teufel nirgendwo jemals schläft. Aber der Ball müsste schon irrwitzige Kreise ziehen, der Teufel packerlweise Aufputschmittel einwerfen, um das Programm umzustoßen.

Eriksson, der Trainer der Elfenbeinküste und Opfer dieser Übermacht, nahm der Konkurrenz, Argentinien vielleicht ausgenommen, jegliche Restillusion. "Du musst perfekt sein, um gegen Brasilien zu bestehen. Aber wer ist das schon außer Brasilien?"

Und Fabiano ist ein Schlawiner. Das 1:0 hat er noch regelkonform mit dem Fuß erzielt, beim 2:0 hat er die Hand zu Hilfe genommen, sogar zweimal, natürlich unabsichtlich. Man benötigt eben mehr als zwei heilige Füße, um vor dem Abschluss drei Ivorer zu übergaberln. Da auf "Hand Gottes" Diego Maradona das Urheberrecht besitzt, beließ es Fabiano, der beim FC Sevilla engagiert ist, bescheiden bei "heilige Hand" .

Brasilien stellt in Südafrika neben der vermutlich besten (heiligsten) Mannschaft ganz sicher die meisten Journalisten. Es sind ungefähr 1000. Diese verwöhnten Fratzen werden nicht müde, über Teamchef Carlos Dunga zu lästern. Er lasse zu europäisch spielen, behaupten sie. Okay, man habe glatt gewonnen, und Kaká habe sich leicht gesteigert (bereitete zwei Treffer mustergültig vor), aber es sei ausreichend Luft nach oben vorhanden.

Schubs und Sperre

Das Formtief von Kaká hätte zum Beispiel Wayne Rooney gerne, dann wäre der Engländer in Hochform. Der verwarnte gewesene Kaká wurde kurz vor Schluss, als die Partie aus nicht nachvollziehbaren Gründen hektisch wurde, ausgeschlossen. Er hatte Keita leicht gerempelt, der hielt sich nach dem Brustschubserl die Hände vors Gesicht, fiel theatralisch. Der französische Referee Stéphane Lannoy wird später einmal erzählen können (den Enkerln, nicht der Fifa), dass er Kaká drei Karten gezeigt hat. Gelb und Gelb und Rot.

Der Schaden hält sich in Grenzen, Brasilien ist fürs Achtelfinale qualifiziert, Kaká kann sich am Freitag gegen Portugal ausruhen. Dunga: "Einen besseren Zeitpunkt für eine Sperre gibt es nicht." Beide Trainer hätten Gründe gehabt, stundenlang über den Schiedsrichter herzuziehen. Sie taten es nicht einmal minutenlang. Ein weiterer Beleg für Brasiliens Souveränität.

Hinten lassen sie nichts anbrennen, die Viererkette (Maicon, Lucio, Juan, Bastos) ist ein Wunschkonzert. Einziger Vorwurf: Ist ein Spiel entschieden, können Nachlässigkeiten passieren. Didier Drogba durfte per Kopf auf 1:3 verkürzen. Vermutlich gönnte sogar Kapitän Lúcio dem Ivorer das Erfolgserlebnis, der arme Drogba hat den rechten Unterarm gebrochen, trägt Manschette.

Brasilien baut die Angriffe bedächtig auf, urplötzlich wird im Mittelfeld Tempo aufgenommen und der Genialität (Kaká, Robinho, Fabiano, Elano) jene Freiheit gegeben, die sie braucht. Simple Gemüter verglichen das mit dem Tanz namens Samba. Einer dieser 1000 Nörgler hat zugegeben, "dass die Vorstellung stark war" . Die 84.555 Zuschauer sind also doch im richtigen Film gewesen. Am 11. Juli kommen sie wieder. (Christian Hackl aus Johannesburg, DER STANDARD Printausgabe 22.06.2010)