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Dominique Baettig, Psychiater und SVP-Abgeordneter

Foto: Reuters/Lauener

Der Schweizer SVP-Abgeordnete Dominique Baettig fordert allen Ernstes, die Voraussetzungen zu schaffen, dass Vorarlberg, Baden-Württemberg oder Südtirol Teil der Schweiz werden können.

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Soll Vorarlberg ein Schweizer Kanton werden? Soll die Schweiz ihren Nachbarn in Baden-Württemberg, in Südtirol oder im Elsass ein freundliches Übernahmeangebot machen? Ja, meint zumindest Dominique Baettig, der Abgeordnete der rechtskonservativen Schweizerischen Volkspartei SVP im Parlament in Bern. Baettig, ein Arzt aus dem französischsprachigen Grenzkanton Jura, hat einen entsprechenden Vorstoß lanciert, der freilich keine Aussichten auf Erfolg hat: Es sei ein gesetzlicher Rahmen zu erarbeiten, "damit grenznahe Regionen in der Form neuer Kantone in die Schweiz integriert werden können, wenn die Mehrheit der dortigen Bevölkerung ein solches Begehren stellen würde".

Die schriftliche Begründung, die Baettig zu seinem Vorstoß liefert: Die Menschen in vielen an die Schweiz angrenzenden Gebieten litten "unter dem Mangel an Interesse der jeweiligen nationalen und europäischen ,classe politique‘ gegenüber den Anliegen dieser grenznahen Regionen." Ob in Baden-Württemberg oder Vorarlberg, im französischen Jura und im Elsass, im Aostatal oder in Südtirol - überall, so Baettig, sähen die Menschen tagtäglich die Vorteile des direktdemokratischen Staatswesens Schweiz vor Augen und "wünschen seit langem mehr Souveränität für ihre Bürgerinnen und Bürger, also eine Demokratie mit menschlichem Antlitz."

Die Nachbarländer der Schweiz wären demnach in Baettigs Logik Demokratien ohne menschliches Antlitz (einmal abgesehen vom Fürstentum Liechtenstein - die Untertanen Seiner Durchlaucht im Fürstentum Liechtenstein scheinen offenbar kein Bedürfnis nach mehr Souveränität und Mitbestimmung zu empfinden).

Vor allem richtet sich der Vorstoß des SVP-Politikers, der von führenden SVP-Mitgliedern wie Parteichef Toni Brunner und Fraktionschef Caspar Baader mitunterzeichnet wurde, gegen die EU, "ein Gebilde, dessen zentralistische Institutionen zu ihren Bürgerinnen und Bürgern keine Verbindung mehr haben." Damit liegt Baettig auf der Linie des europaskeptischen Diskurses, den die nationalistische SVP seit Jahren pflegt.

Die Landesregierung, der Bundesrat, lehnt Baettigs Vorstoß hingegen rundheraus ab: Dies würde "einen unfreundlichen politischen Akt darstellen, den die Nachbarstaaten zu Recht als Provokation auffassen könnten." Die Beziehungen zu den betroffenen Staaten würden "in schwerwiegender Weise beeinträchtigt." Ein Sezessionsrecht könne nur als "Ultima Ratio" in außergewöhnlichen Situationen geltend gemacht werden.

Der politisch offenkundig völlig abseitige SVP-Vorstoß wurde denn auch kaum beachtet - erst drei Monate nach Einreichung griffen die Genfer Zeitung Le Temps und der Zürcher Tages-Anzeiger das Thema auf. In den Leserspalten der Blätter wurde es eher auf der Spaßebene abgehandelt: Man könnte doch gleich auch noch weitere Gebiete annektieren ("Meeranstoß wäre schön") schrieb jemand; ein anderer meinte, als Nächstes würde die SVP fordern, die europafreundliche und französischsprachige Westschweiz an Frankreich "abzugeben". (Klaus Bonanomi aus Bern/DER STANDARD, Printausgabe, 22.6.2010)