Wien - Das römerzeitliche Äquivalent einer Autobahnraststätte hat ein Team von ungarischen und österreichischen Archäologen in Nemescso bei Szombathely in Westungarn entdeckt. Die Forschungsarbeiten - unter anderem auch die 3-D-Rekonstruktion der antiken Anlagen - laufen im Rahmen des Bernsteinstraßenprojekts und in Kooperation des Österreichischen Archäologischen Instituts (ÖAI) mit dem Savaria Museum in Szombathely.

Der Gebäudekomplex in Nemescso stammt aus dem 2. Jahrhundert unserer Zeitrechnung und ist mit einem geräumigen, teilüberdachten Innenhof sowie seitlichen turmartigen Erweiterungen ausgestattet. Nach heutigen Erkenntnisse wurde die Station im späten 3. oder im 4. Jahrhundert aufgegeben. 

Effizientes Verkehrswesen

Das Verkehrswesen an der sogenannten Bernsteinstraße war an die damaligen Verhältnisse ausgezeichnet angepasst - Stefan Groh, Fachbereichsleiter am ÖAI, sieht durchaus Parallelen zum heutigen Autobahnsystem: "Das Verkehrssystem hatte um diese Zeit eine Qualität, wie sie erst wieder im 19. Jahrhundert mit dem Postkutschenwesen erreicht wurde", erklärt Groh. Die Ergebnisse von Nemescso boten neue Erkenntnisse zur Infrastruktur der Bernsteinstraße. Die "römische Autobahn" war eine sieben Meter breite, massiv geschotterte Hauptstraße, auf der man von der damaligen Nordgrenze des römischen Reiches bei Carnuntum bis zur oberen Adria gelangte.

Das wichtigste Transportmittel für Lasten war der Ochsenkarren. Dieser hatte eine Spurbreite von rund 1,2 bis 1,4 Metern - damit "gab es immer eine Überholspur für schnellere Fuhrwerke", so der Archäologe. Die durchschnittliche Tagesstrecke eines Ochsenkarrens betrug rund elf bis 14 Kilometer. Dann mussten die Ochsen gewechselt oder ein Halt eingelegt werden. Fußgänger legten durchschnittlich die doppelte Entfernung zurück, militärische Reiter kamen auf eine bis zu siebenfache Strecke pro Tag.

Ausgefeilte Infrastruktur

Entsprechend angepasst war die Infrastruktur: Alle zehn bis 14 Kilometer errichtete man in römischer Zeit an der Bernsteinstraße eine kleinere Station wie in Nemescso. Alle 20 bis 28 Kilometer erreichte man auf seiner Reise einen größeren Ort und alle 50 bis 70 Kilometer kam man in eine städtische Siedlung. Fußgänger fanden somit am Ende ihrer Tagesetappen ebenso eine Herberge wie Reiter, die regelmäßig ihre Pferde wechseln mussten.

Die römischen Verkehrswege waren für den Transport von Waren, die Verschiebung von militärischen Einheiten und auch private Reisen von Bedeutung. "Die Straßenerhaltung war Aufgabe der öffentlichen Verwaltung und war teilweise in der Hand der Städte oder auch des Militärs", sagte Groh. Straßenmaut gab es keine. Bezahlen mussten Benutzer allerdings für die Benutzung der Stationen. (APA/red)