Nach dem prinzipiellen Beschluss, die Blockade des Gazastreifens zu lockern, versammelte Premier Benjamin Netanjahu am Sonntag das israelische Sicherheitskabinett, um konkrete "praktische Schritte" abzusegnen. Ziel sei die "Ausweitung der Einfuhr von Material für zivile Projekte" , hieß es in einer Mitteilung der Premierkanzlei, während die gegenwärtigen "Prozeduren zur Verhinderung der Einfuhr von Waffen und Kriegsmaterial" in Kraft bleiben sollen. Zugleich sollte der Umgang mit weiteren Schiffen debattiert werden, die demnächst vielleicht versuchen werden, die Blockade zu durchbrechen.

Eine aus dem Iran angekündigte "Hilfsflotte" hätte einen weiten Weg, und es ist unklar, ob Ägypten sie den Suezkanal passieren lassen würde. Doch ein Schiff, das in Beirut vorbereitet wird, könnte binnen Stunden die Küste von Gaza erreichen. Die Organisatoren wollten rund 50 libanesische Frauen an Bord bringen. Die Israelis sehen eine Verbindung zur radikalen Hisbollah und versuchten, internationalen Druck aufzubauen, damit die libanesische Regierung das Auslaufen des Schiffes verhindert.

Eine interne Untersuchung der Marine hat indessen laut israelischen Medien "Fehler und Pannen" bei der Enterung der türkischen "Mavi Marmara" festgestellt, auf der am 31. Mai neun Aktivisten erschossen wurden. Die Vorbereitung und die nachrichtendienstlichen Informationen seien mangelhaft gewesen. Deshalb hätten die Soldaten nicht mit der Möglichkeit einer "Massenattacke" durch Passagiere gerechnet. Es wäre richtiger gewesen, die Aktion nicht bei Dunkelheit zu starten und am Beginn Wasserwerfer und Tränengas einzusetzen, lautet eine der Erkenntnisse.

Verärgert über Israel zeigte sich am Wochenende der deutsche Entwicklungsminister Dirk Niebel (FDP), weil man ihm die Einreise in den Gazastreifen verwehrt hatte. Das sein "ein großer außenpolitischer Fehler der israelischen Regierung" , sagte Niebel der Leipziger Volkszeitung. Er habe bloß ein mit deutschen Mitteln errichtetes Klärwerk besichtigen wollen.

Offizielle Besuche von Politikern aus EU-Ländern in Gaza sind gewöhnlich kein Thema, weil die dort regierende Hamas von der EU als Terrorgruppe gelistet und boykottiert wird. Deshalb ist auch für Werner Faymann kein Abstecher nach Gaza geplant. Der Bundeskanzler fliegt am Mittwoch nach Israel und wird am Donnerstag von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas in Ramallah empfangen werden. (Ben Segenreich aus Tel Aviv/DER STANDARD, Printausgabe, 21.6.2010)