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Der Straßenstrich geht besonders Anrainern gegen den Strich. Eine Verlagerung in unbewohntes Gebiet bringe aber mehr Risiko für die Frauen, meint man beim Sexarbeiter-Verein sexworker.at.

Foto: APA/Fohringer

Wien - "Jede Form der Prostitution hat ihre Berechtigung. Der Straßenstrich, die Escort-Services, die Clubs und die Laufhäuser", sagt Christian Knappik vom Verein sexworker.at, während er in seinem Mercedes die Linzerstraße in Wien-Penzing entlangfährt. Es ist die Nacht auf Sonntag, 15 oder 20 Frauen stehen am Rand der Fahrbahn. Ihr Beruf ist unschwer zu erraten: Hotpants, Miniröcke, Lackstiefel bis über die Knie. Quasi die Zunftzeichen der Prostituierten auf dem Wiener Straßenstrich.

Dass Politik und Polizei gegen diesen verstärkt vorgehen wollen, ärgert Knappik. Der Verein, in dem er im Vorstand sitzt, vertritt die Interessen der "Sexarbeiterinnen". Im Internetforum des Vereins können sich Prostituierte, Betreiber und Freier austauschen, über 81.000 Beiträge findet man dort. "Zwerg" ist sein Nickname, was seinem Erscheinungsbild nicht ganz entspricht. An die 1,95 Meter groß, stämmig und mit einem Gesicht, das etwas an Lukas Resetarits erinnert, fährt Knappik durch die Nacht.

"Es hat sich noch niemand wirklich mit den Betroffenen an einen Tisch gesetzt und sie nach ihrer Meinung gefragt", zürnt er. Den Pilotversuch, im Westen Wiens einen Park und eine Ausfahrtsstraße als "offiziellen" Straßenstrich zu etablieren, hält er für hirnrissig. "Die Frauen sind gezwungen, in das Auto des Freiers zu steigen, es gibt keine Hotels."

Er stoppt vor einem "10-Euro-Hotel" in der Linzerstraße. Die 60-jährige Betreiberin, selbst 40 Jahre lang Prostituierte, verlangt in ihrer 28-Quadratmeter-Unterkunft für eines der beiden kleinen Zimmer von den Freiern zehn Euro für 15 Minuten, 30 für eine Stunde. "Die Mädchen zahlen nichts. Und haben dafür sichere Arbeitsbedingungen", sagt sie. Steuerfahndung, Polizei und die Kiab, die "Kontrolle der illegalen Arbeitnehmerbeschäftigung" des Finanzministeriums, sehen das offenbar anders. Sie vermuten, dass die Mädchen für sie arbeiten. Tausende Euro Strafe soll die resolute Blondine dafür zahlen.

Informationen sammeln und vermitteln

Knappik hört ihr geduldig zu, helfen kann er nicht wirklich. Sein Job ist es eher, Informationen zu sammeln und der Öffentlichkeit zu vermitteln - und über ein Notrufhandy Huren zu helfen. Auf seinen Touren hat er immer eine Frau mit, in diesem Fall Martina, die bei einem Escort-Service arbeitet.

Die 27-Jährige ist seit acht Jahren im Gewerbe, erst in einem Massagestudio, nun als Escort. Der Straßenstrich wäre nichts für sie, sagt sie. Auch die beispielsweise von den Grünen befürworteten "Laufhäuser" nicht. "Da hätte ich irgendwie zu viel Angst, Schulden anzuhäufen." Denn in diesen Häusern müssen die Frauen bis zu 2000 Euro Monatsmiete zahlen. Auch wenn keine Männer kommen. Dafür gibt es beispielsweise im Laufhaus Rachel in der Triesterstraße Zimmer, die an ein Design-Hotel erinnern - und Security.

Vorstöße wie den "Sieben-Punkte-Plan" der SP-Stadträtin Sandra Frauenberger quittiert Knappik mit Sarkasmus. "Eine Kondompflicht? Wer soll das denn bitte kontrollieren? Wenn gleichzeitig die Polizei aus Kondomen in Handtaschen den Beweis für Geheimprostitution ableitet?"

Escort-Girl Martina muss weg, sie hat einen Job in Wiener Neudorf bekommen. Sie könne aber frei entscheiden, sagt sie, Druck werde nicht ausgeübt. "Man muss weg von der Opferrolle kommen", meint Knappik. "Natürlich gibt es Probleme, aber die Mehrzahl der Frauen arbeitet freiwillig, weil sie Geld verdienen will oder muss." Und dabei sollte sie die Politik in Ruhe lassen, findet er. (Michael Möseneder/DER STANDARD-Printausgabe, 21.6.2010)