Nicht nur Autos, Häuser oder Videofilme lassen sich mieten, sondern auch Freunde. Der Preis für die gemeinsam verbrachten Stunden ist Vereinbarungssache.

Foto: Sreenshot

Jennifer Morrison lässt sich mieten. Nicht für amouröse Abenteuer, sondern als Freundin, mit der man Zeit verbringt. Zu den "Mieterinnen und Mietern" der in Las Vegas lebenden 31-jährigen Rezeptionistin gehört etwa eine alte Dame, mit der sie ins Kino ging. Kennengelernt haben sich beide auf der Website Rentafriend.com.

"Als ich von dem Onlineservice erfahren habe, hatte ich zunächst gemischte Gefühle. Ich fand es irgendwie traurig, dass Leute so etwas brauchen", erzählt sie. Mittlerweile freut sich die Mutter einer zweijährigen Tochter darüber, neue Leute kennenzulernen und gleichzeitig dabei ein wenig Taschengeld zu verdienen. Zwischen 20 und 30 Dollar verlangt sie pro Stunde für ihre Freundschaftsdienste.

Ansturm und Zurückhaltung

Seit Rentafriend vor sieben Monaten online ging, verzeichnet die Site monatlich rund 100.000 Besucher. Doch bisher haben sich erst an die 2000 Menschen gefunden, die auch bereit sind, 25 Dollar im Monat oder 70 Dollar im Jahr zu zahlen, um unter den rund 167.000 Fotos und Profilen nach einem platonischen Begleiter oder einer solchen Begleiterin zu suchen.

Der 31-jährige Christoph Barton aus Boulder City (Nevada) schätzt das Angebot. Als Kundentrainer einer Online-Universität ist er viel unterwegs. Er mag dann nicht gern in Restaurants allein essen, und ihm gefällt es, auf diese Weise andere Städte kennenzulernen. Er bevorzugt dabei hübsche Frauen, denn "ich komme mir blöd vor, dafür zu zahlen, dass ich mit einem Kerl ausgehe".

Gründer

Ins Leben gerufen wurde die Freundesuchseite von Scott Rosenbaum, der davor eine Onlinepartnerbörse betrieb. Ob die Freundschaftsangebote immer nur platonischer Art seien, könne er zwar nicht garantieren, sagt er, doch sobald jemand ein unmoralisches Angebot mache, fliege er.

Nicht nur in den USA, auch in Ländern wie Japan oder China wächst das Interesse an solchen Services. Etwa um fehlende Familienmitglieder bei einer Hochzeitsfeier zu ergänzen oder einen Besuchsdienst für entfernt lebende Eltern zu engagieren.

Interessen teilen

Barton gefällt an Rentafriend besonders, dass man hier jene Leute finden könne, die ähnliche Hobbys wie man selbst habe. Dies ermögliche spannende Gespräche vom ersten Augenblick an. "Freundschaftsvermieterin" Morrison erwähnt etwa in ihrem Profil, dass sie gern HipHop tanzt. "Wenn du jemanden brauchst, mit dem du dich fit halten oder nur abhängen möchtest, bin ich genau dein Typ. Ich kann aber auch gut zuhören", beschreibt sie sich selbst. Das Geld, das sie durch Rentafriend verdient, legt sie für einen geplanten Hauskauf zurück. "Rentafriend ist für mich ein bisschen wie ein Geschäft", gibt sie zu, "aber es ist nicht mein Beruf."

Ist das die Lösung?

Ist es in einer Welt, in der die Zahl im Internet vernetzter Freunde zu-, die Zahl der sich einsam fühlenden Menschen aber nicht abnimmt, eine Lösung, sich Freunde zu mieten - oder doch nur eine Sackgasse? "Die wirkliche Frage ist: Löst es jemandes Problem? Zuerst habe ich nur die Augen darüber verdreht, aber derartige Angebote können durchaus helfen, andere Leute zu treffen und sozial wieder in die Gänge zu kommen", sagt Sozialforscher John T. Cacioppo. "Doch als Ersatz für bedeutungsvolle direkte Beziehungen funktioniert es sicher nicht." (kat, AP, DER STANDARD/Printausgabe, 19.6.2010)