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Suche nach der Verschütteten, die das Lawinenpieps nicht eingeschaltet hatte. Sie konnte nur noch tot geborgen werden

Foto: AP/Koechler

Salzburg - Seit 1983 ist der inzwischen pensionierte Schuldirektor Johannes G. aus dem Pongauer Radstadt mit Tourenski im winterlichen Gebirge unterwegs. Er ist einer, den man umgangssprachlich als "erfahrenen Skibergsteiger" bezeichnet. Am 17.März dieses Jahres wird ihm und seiner 58-jährigen Gattin genau diese "Erfahrung" zum Verhängnis.

Bei einer Skitour auf die 2068 Meter hohe Sichelwand im Gemeindegebiet von Tweng (Lungau) löst Johannes G. ein Schneebrett aus. Die etwa 80 Meter breite Lawine erfasst die bereits abgefahrene Frau und verschüttet sie. Sie kann von der Suchhundestaffel und der Bergrettung - eineinhalb Stunden nach dem Unglück - nur noch tot geborgen werden.

"Fahrlässige Tötung"

Für die Salzburger Staatsanwaltschaft ein klarer Fall von "fahrlässiger Tötung unter besonders gefährlichen Verhältnissen" . Nach der vom Alpenverein entwickelten Beurteilungsmethode "Stop & Go" hätte bei der am Unglückstag herrschenden Lawinenwarnstufe 3 ("erheblich" ) der über 35 Grad steile Hang nicht mehr befahren werden dürfen, lautet der zentrale Vorwurf.

Der von den Ereignissen sichtlich gezeichnete Angeklagte will am Unglück hingegen keine Schuld gehabt haben: Er und seine Frau hätten die örtlichen Verhältnisse gut gekannt, der Unglückshang habe immer als sicher gegolten. "Wir haben auf unsere Erfahrung vertraut" , sagt er. Deshalb habe man auch den Lagebericht des Lawinenwarndienstes nicht gelesen. Und weil man den Hang ohnehin für sicher gehalten habe, habe man auch die Lawinenverschüttetensuchgeräte nicht eingeschaltet. Dieses Versäumnis dürfte die Frau das Leben gekostet haben. Laut Unfallbericht der Hundestaffel war sie nur etwa einen halben Meter tief verschüttet.

Am Donnerstag wurde der Strafprozess fürs Erste einmal vertagt. Ein Sachverständiger soll beigezogen werden, um Lawinensituation, Steilheit und Schneelage am Unglückstag zu beurteilen.

Kritik vom Alpenverein

Kritik am Strafverfahren kommt vom Österreichischen Alpenverein (AV). Michael Larcher, Leiter der Abteilung Bergsport beim AV, stört vor allem, dass die Staatsanwaltschaft die vom AV entwickelte "Stop & Go" -Methode zur Beurteilung der Lawinensituation im Gelände als Grundlage für die Anklage nehme.

Diese sei nur "eine Empfehlung" , die helfen solle, das Risiko auf Skitouren zu verringern. Im komplexen System Schnee-Mensch lägen aber "Fehlentscheidungen in der Natur der Sache." Grundsätzlich warnt Larcher vor einer "Vergesetzlichung des Bergsportes" . Unstrittig sei, dass bei von Bergführern kommerziell geführten Touren gesetzlich Normen zum Tragen kommen müssten. Im Privatbereich müsse es aber "der Eigenverantwortung" überlassen bleiben, welche Notfallausrüstung mitgeführt werde.

Dass - wie im gegenständlichen Fall - die beiden ihre Verschüttetensuchgeräte zwar mitgeführt, aber nicht aktiviert haben, hält freilich auch Larcher für "groben Unfug" . Für dieses Verhalten gebe es nur eine psychologische Erklärung: Man suggeriere sich so selbst, "es ist nicht gefährlich" . Laut Larcher hatte übrigens mehr als die Hälfte aller Lawinenopfer des vergangenen Winters das Lawinenpieps nicht dabei oder dieses ausgeschaltet. (Thomas Neuhold, DER STANDARD Printausgabe, 18.6.2010)