Wien - In den USA sind wissenschaftliche Karriere und Familie für Frauen kein Widerspruch, sagt Barbara Hahn, Germanistikprofessorin an der privaten Vanderbilt University in Nashville. "Karriere hat man und Familie hat man. Und man bekommt es unter einen Hut."

Ernährerbild und Tradition

Im deutschsprachigen Raum kämpfe man hingegen immer noch mit den Altlasten aus dem 19. Jahrhundert: Die Unis wurden erst spät für Frauen geöffnet, der Mann gilt nach wie vor als Ernährer der Familie, und auch Humboldt sei nach wie vor ein Hemmschuh für Frauen-Karrieren an den Unis, so Hahn, die am Donnerstag den Eröffnungsvortrag der Tagung "Geschlecht und Wissenschaft" (bis 19.6.) an der Uni Wien halten wird.

Ausschlussmechanismen

Die Humboldt-Universität als Verkörperung des Bildungsideals im deutschsprachigen Raum habe zu zahlreichen Ausschlussmechanismen an den Unis geführt, die bis heute wirken. Auch die Tatsache, dass an deutschen Unis nur wenige AusländerInnen in Top-Positionen sind, führt Hahn darauf zurück. Erst 1908 durften dort Frauen ein reguläres Studium beginnen (in Österreich schon 1897). Bis die ersten Frauen einen Professorinnenposten bekamen, sollten noch viele weitere Jahre vergehen.

Männer machen Wissenschaft, Frauen Literatur

Bei der wissenschaftlichen Literatur würde man noch heute Humboldts Altlasten mittragen. Damals sei die Aufteilung klar gewesen: Männer machen Wissenschaft, Frauen Literatur. Und auch heute noch sei es so, dass es im deutschsprachigen Raum "so gut wie keine wissenschaftliche Autorin gibt, die man gelesen haben muss", kritisiert Hahn.

Frauen in Führungspositionen beschämend niedrig

Spätestens die Umstellung auf das Bologna-System, das u.a. europaweite Vergleichbarkeit wissenschaftlicher Leistungen bringen sollte, hätte eigentlich eine Verbesserung bringen müssen, meint Hahn. Dennoch sei der Anteil von Frauen in Führungspositionen an den Unis weiter beschämend niedrig, auch der Anteil von Wissenschaftern aus dem Ausland an hohen Stellen sei gering.

Anstrengungen in den USA

In den USA unternähmen der Staat und vor allem die Privatuniversitäten "ungeheure Anstrengungen", um qualifizierte Frauen an die Unis zu holen und "das Erbe des Rassismus" aufzuarbeiten, so Hahn. So sei ihre Professur eine von acht gewesen, die an der Vanderbilt University explizit zur Steigerung des Frauenanteils in Top-Positionen geschaffen wurden. Auch an vielen staatlichen Unis müsse bei der Besetzung von Spitzenposten begründet werden, warum keine Frau zum Zug gekommen ist.

Im deutsprachigen Raum keine Chance

In Deutschland, wo Hahn bis 1996 geforscht hat, gebe es zwar durchaus Bemühungen, Frauen zu fördern. Gesellschaftliche Ideologien hätten aber nach wie vor starken Einfluss: Zwar würde es nie laut gesagt, aber die Rolle des Mannes als Familienernährer sei noch immer Kriterium für Karrieresprünge. "In den USA wäre es wegen der Gehälter gar nicht möglich, dass nur der Mann die Familie ernährt."

Die deutschsprachigen Unis fordert Hahn dazu auf, "sich bewusster zu werden, welche Ausschlussmechanismen dort funktionieren." Hahn hatte, bevor sie nach Nashville wechselte, bereits internationale Erfahrung und viele Publikationen. Ein Aufstieg an deutschen Unis war trotz rund 20 Bewerbungen dennoch unmöglich. "In Deutschland", sagt sie, "hatte ich nie eine Chance auf Karriere. In den USA habe ich auf Anhieb einen Lehrstuhl bekommen." (APA)